.
Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:06.03.1989
Aktenzeichen:VK 2/1988
Rechtsgrundlage:§§ 49 Abs. 1, 50 PfDG
Art. 18 KO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Pfarramt, Amtsführung
#

Leitsatz:

Eine nicht mehr gedeihliche Führung des Pfarramtes und damit ein Abberufungstatbestand liegt vor, wenn sich anhaltende heftige Auseinandersetzungen mit Gemeindegliedern und Presbyteriumsmitgliedern ergeben hatten.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,- DM festgesetzt.
#

Tatbestand:

Der am … 1934 geborene Kläger steht als Pfarrer seit dem … 1979 im Dienste der Beklagten. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1983 wurde ihm die Pfarrstelle der Ev.-Luth. Kirchengemeinde B. (Kirchenkreis …) übertragen.
Auf Antrag des Presbyteriums dieser Gemeinde fasste die Kirchenleitung der Beklagten nach Anhörung des Klägers mit Zustimmung des Kreissynodalvorstandes am 25. November 1987 den Beschluss, den Kläger mit Wirkung vom 31. Mai 1988 aus dieser Pfarrstelle abzuberufen. Zur Begründung dieses – im Wesentlichen auf § 49 Abs. 1 Buchst. b) des Kirchengesetzes über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Union (Pfarrerdienstgesetz – PfDG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1981 (ABl. EKD 1981 S. 176; KABl. 1981 S. 201), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 10. Juni 1986 (ABl. EKD 1986 S. 359; KABl.1987 S. 33) gestützten – Beschlusses führte die Kirchenleitung aus, dass ein Tatbestand vorliege, der dem Kläger die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der genannten Gemeinde unmöglich mache. Gegen diesen – mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen und ihm am 30. November 1987 ausgehändigten – Beschluss legte der Kläger unter dem 2. Dezember 1987 Widerspruch ein, den die Kirchenleitung durch Widerspruchsbescheid vom 18. März 1988 als unbegründet zurückwies. Am 6. April 1988 hat der Kläger gegen die Abberufung die vorliegende Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 15. Juni 1988 teilte das Landeskirchenamt der Beklagten dem Kläger mit, dass die Kirchenleitung bereits mit Beschluss vom 19. Mai 1988 mit Wirkung vom 1. Juni 1988 die sofortige Vollziehung der Abberufung angeordnet habe.
In dem auf Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren (VK 3/1988) und im vorliegenden Verfahren macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Abberufung sei offensichtlich rechtswidrig. Es könne keine Rede davon sein, dass ihm die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Gemeinde B. unmöglich gemacht worden sei. Der Antrag des Presbyteriums auf Abberufung beruhe nur darauf, dass er sich mit Erfolg den Versuchen einer Minderheit der Gemeindeglieder widersetzt habe, die Gemeinde in einem bestimmten Sinne zu politisieren und damit auf einen Weg zu führen, der vom Evangelium nicht gedeckt sei. Wenn Presbyter, Mitarbeiter oder Gemeindeglieder über ihn, den Kläger, Beschwerde geführt hätten, so liege dem jeweils nur zugrunde, dass diese sich durch ihn in der Verfolgung unsachlicher Zwecke behindert gefühlt hätten, ihre Aufgaben in der Gemeinde missverstanden oder zu empfindlich auf Kritik reagierten; die Presbyter ständen unter dem Einfluss des Presbyters Sonntag, der sie dazu veranlasst habe, „politagitatorischen Druck“ auszuüben. Zahlreiche Gemeindeglieder seien dafür, dass er weiter in der Gemeinde Dienst verrichte. Eine Spaltung der Gemeinde sein nicht eingetreten und drohe auch nicht einzutreten.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss der Kirchenleitung der Beklagten vom 25. November 1987 über die Abberufung des Klägers in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1988 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und tritt der Klage entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Verfahrens VK 3/1988 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
#

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Abberufung ist rechtmäßig.
Gemäß § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG kann ein Pfarrer u.a. dann „im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht“. In dieser Vorschrift findet die Abberufung des Klägers ihre Grundlage.
  1. Die Kirchenleitung der Beklagten war befugt, den Kläger aus der Pfarrstelle der Gemeinde B. abzuberufen.
    1. Wie der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche der Union (VGH der EKU),
      vgl. Urteil vom 27. Februar 1984 – VGH 48/83 – (ABl. EKD vom 15. April 1985),
      entschieden hat, eröffnet das Tatbestandsmerkmal „Tatbestand, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht“ der Kirchenleitung weder ein Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum. Vielmehr unterliegt die Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung. Angesichts dieser Entscheidung neigt die erkennende Kammer dazu, an ihrer zuletzt vertretenen gegenteiligen Auffassung,
      vgl. Urteil vom 22. Juni 1983 – VK 1/1983 und VK 4/1983/ S. 6 f.),
      der zufolge der Kirchenleitung bei der Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes ein Beurteilungsspielraum zusteht, nicht mehr festzuhalten. Immerhin wird ein mit den in der betroffenen Gemeinde bestehenden Verhältnissen nicht vertrautes Gericht, aus den von der Kammer in dem genannten Urteil eingehend dargelegten Gründen auch dann, wenn es im Einklang mit der zu dieser Frage vom Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union vertretenen Auffassung der Kirchenleitung keinen Beurteilungsspielraum zubilligt, der Einschätzung, welche die sachkundige Kirchenleitung diesen Verhältnissen hat zuteil werden lassen, vorbehaltlich besserer Erkenntnis erhebliches Gewicht beimessen müssen. Jedoch bedarf diese Frage im vorliegenden Fall keiner Vertiefung.
    2. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abberufung maßgeblich ist diejenige Sach- und Rechtslage, die zur Zeit der Abberufung bestand. Im Zeitpunkt der Abberufung des Klägers war die Auffassung der Kirchenleitung der Beklagten, dass ein Tatbestand vorlag, der diesem die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Gemeinde B. unmöglich machte, auch bei uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung der Anwendung dieses Begriffs keinesfalls zu beanstanden.
      ba)
      Bereits in ihrem Beschluss gleichen Rubrums vom 11. Oktober 1988 (VK 3/1988) hat die Kammer vorab hervorgehoben,
      „dass die Abberufung keine gegen den Pfarrer gerichtete Disziplinarmaßnahme ist. Sie setzt kein Dienstvergehen des Pfarrers voraus und zielt nicht darauf ab, den Pfarrer zur Beachtung seiner Dienstpflichten anzuhalten. Vielmehr ist der Kirchenleitung die Befugnis zur Abberufung eines Pfarrers – wie aus den gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Maßnahme erhellt – allein zu dem Zwecke verliehen worden, ihr in Fällen, in denen dies auf andere Weise entweder gar nicht oder doch nicht jedenfalls nicht ebenso schnell und zuverlässig erreichbar erscheint, die Möglichkeit zu eröffnen, durch einen Wechsel des Pfarrers eine gedeihliche Führung des Pfarramtes in der in Rede stehenden Gemeinde sicherzustellen. Die Abberufung ist, mit anderen Worten, eine Maßnahme, die nicht so sehr den Pfarrer als vielmehr das Pfarramt selbst zum Gegenstand hat; soweit sie – wie nicht zu verkennen ist, u. U. mit einschneidenden Folgen – den Pfarrer trifft, liegt darin – anders als bei einer Disziplinarmaßnahme – nur eine unvermeidliche Wirkung, nicht aber der Zweck der Maßnahme.“
      Einem Pfarrer kann die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde aus unterschiedlichsten Gründen im Sinne des Gesetzes „unmöglich gemacht“ worden sein. Die Gründe können, müssen jedoch nicht in seiner Person liegen; ebenso, wie sie in seinem eigenen Charakter oder Verhalten gegeben sein können, können sie auch in dem Charakter oder Verhalten von Presbytern, Amtsbrüdern, kirchlichen Mitarbeitern oder Gemeindegliedern liegen. Eine Prüfung der Frage, wer oder was dem derzeitigen Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes unmöglich gemacht hat, verbietet sich im Allgemeinen, weil diese Frage als solche unerheblich ist.
      Wie der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche der Union in seinem bereits genannten Urteil vom 27. Februar 1984 (VGH 48/83) unter Zitierung eines Urteils des Rechtshofs der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen vom 27. Oktober 1983 (Konf R 5/83) ausgeführt hat, verlangt die gedeihliche Führung des Pfarramtes vom Pfarrer selbst,
      „dass er unvoreingenommen und ohne äußeren wie inneren Vorbehalt bereit ist, seinen Auftrag zu Wortverkündigung, Seelsorge und Liebestätigkeit gegenüber jedem Gemeindeglied zu erfüllen, und dies durch sein Verhalten bezeugt“.
      Die gedeihliche Führung des Pfarramtes setzt weiter
      „ein Verhältnis zwischen der Gemeinde und ihrem Pfarrer voraus, das es allen Gemeindegliedern ermöglicht, den Dienst des Pfarrers in innerer Bereitschaft anzunehmen. Das bedeutet nicht, dass ein Pfarrer nur dann gedeihlich wirkt, wenn er zu jedem der Kirche zugewandten Gemeindeglied in einer allezeit ungetrübten Beziehung steht. Auch in einer christlichen Gemeinde sind Meinungsunterschiede und sachliche Auseinandersetzungen nicht zu vermeiden und können gelegentlich zu persönlichen Spannungen führen. Das ist natürlich und muss von Pfarrer und Gemeinde ertragen werden. Ein gedeihliches Wirken des Pfarrers ist aber dann nicht mehr möglich, wenn sich die Gemeinde in sich derart entzweit hat, dass sie in gegnerische Gruppen zerfallen ist, deren eine sich außerstande sieht, den Dienst des Pfarrers anzunehmen, und sich seinem Wirken entzieht. In einer solchen Situation ist es für die Beurteilung des Wirkens des Pfarrers ohne Belang, welche Gruppe oder welches Gemeindeglied – möglicherweise auch der Pfarrer – die Parteiung ausgelöst hat, wie zahlreich die eine oder die andere Gruppe ist und wie das Wirken des Pfarrers von der ihm zugewandten Gruppe beurteilt wird. Denn bei einer tief greifenden Parteiung in der Gemeinde ist es dem Pfarrer unmöglich, den ihm nach der kirchlichen Ordnung … gegenüber allen Gemeindegliedern obliegenden Dienst zu leisten.
      Hingegen ist das gedeihliche Wirken eines Pfarrers nicht schon dann in Frage gestellt, wenn Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen ihm und den Kirchenvorstehern auftreten. Zwar können solche Spannungen Ausdruck der Spaltung der Gemeinde oder gar der Tatsache sein, dass der überwiegende Teil der Gemeinde den Dienst des Pfarrers nicht mehr anzunehmen bereit ist. Ebenso ist es aber möglich, dass sie lediglich zwischen den beteiligten Personen bestehen und das Wirken des Pfarrers als Seelsorger und vorrangiger Träger der Wortverkündigung gegenüber den übrigen Gemeindegliedern und damit gegenüber der weit überwiegenden Mehrheit der Gemeinde … unberührt lassen. Ob das Eine oder das Andere der Fall ist, lässt sich nicht ohne weitere Sachaufklärung an dem Votum des Kirchenvorstandes ablesen, mag dieses auch – wie im vorliegenden Fall – einhellig abgegeben worden sein. Wohl ist der Kirchenvorstand – neben seinen sonstigen Aufgaben und Befugnissen
      – der berufene Sprecher der Gemeindeglieder. Bevor rechtliche Schlüsse aus seiner Stellungnahme gezogen werden, muss jedoch im jeweiligen Einzelfall anhand von Tatsachen geprüft werden, ob er selbst der Auffassung ist, mit seinem Votum den Meinungsstand der gesamten Gemeinde wiederzugeben, und ob die Richtigkeit dieser Auffassung durch Fakten belegt wird. Nur wenn beides aufgrund der Prüfung zu bejahen ist, kann das Votum des Kirchenvorstandes mit der Beurteilung des Sachverhalts durch die Gemeinde gleichgesetzt werden“.
      bb)
      Die Gemeinde B. war nicht nur durch anhaltende heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und allen oder doch den meisten damaligen Presbytern, sondern darüber hinaus auch dadurch gekennzeichnet, dass das innerhalb des Presbyteriums offensichtlich bestehende Zerwürfnis sich in der Gemeinde selbst widerspiegelte. Dies steht schon nach dem Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und dem eigenen Vorbringen des Klägers zur Überzeugung der Kammer fest. Der Erhebung von Beweisen, etwa durch Vernehmung von Zeugen, bedurfte es nicht.
      (1) Einer Verwertung der in dieser Sache entstandenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten steht nichts im Wege. Die Bedenken, die der Kläger dagegen – erstmals in der mündlichen Verhandlung – durch seinen Prozessbevollmächtigten hat vortragen lassen, entbehren der Grundlage. Dass die an ihn selbst gerichteten Schreiben der Beklagten und seine eigenen Schreiben an die Beklagte in diesem Rechtsstreit verwertet werden können, hat der Kläger wohl selbst nicht ernsthaft in Zweifel ziehen wollen. Aber auch die in dem Schreiben des Landeskirchenamtes vom 22. September 1987 wiedergegebenen, in zwei Bänden der Verwaltungsvorgänge der Beklagten unter der Bezeichnung „B. I und II Betr. Sammlung der Eingänge“ zusammengefassten Eingaben und sonstigen schriftlichen Äußerungen dürfen ohne Weiteres verwertet werden. Der Kläger hat Gelegenheit gehabt, von dem Inhalt auch dieses Teils der Verwaltungsvorgänge Kenntnis zu nehmen. Wie sein Prozessbevollmächtigter auf ausdrückliche Frage in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärt hat, bestreitet der Kläger nicht, dass Urheber jener Eingaben und sonstigen schriftlichen Äußerungen diejenigen Personen sind, die darin als Urheber bezeichnet sind. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob und, falls ja, in welchem Umfang die in dieser Sache entstandenen Verwaltungsvorgänge bereits Bestandteil seiner Personalakten geworden sind und ob ihre Aufnahme in die Personalakten des rechtens wäre, ist in diesem Rechtsstreit, in dem es nicht um die Rechtmäßigkeit der Aufnahme von Schriftstücken in Personalakten,
      vgl. zu den mit der Anwendung des § 41 Abs. 2 PfDG verknüpften Fragen etwa Urteil der Kammer vom 18. Mai 1979 – VK 4/1978 –,
      sondern allein um die Rechtmäßigkeit der Abberufung des Klägers geht, ohne Bedeutung. Ein Rechtssatz, dem zufolge ein Dienstherr sich bei der Entscheidung über Fragen des Dienstverhältnisses eines Bediensteten allein auf den Inhalt der Personalakten des Betroffenen stützen dürfte, besteht im kirchlichen Dienstrecht ebenso wenig wie im Staatlichen; es genügt, dass dem Bediensteten umfassendes rechtliches Gehör gewährt wird. Aktenstoff, der demnach, obwohl nicht Teil der Personalakten, einer solchen Entscheidung zugrunde gelegt werden darf, würde offensichtlich nicht dann unverwertbar, wenn er zu Unrecht in die Personalakten aufgenommen würde.
      (2) Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen, im Schreiben des Landeskirchenamtes an den Kläger vom 22. September 1987 wiedergegebenen Eingaben und sonstigen Äußerungen von Presbytern, Amtsbrüdern, Mitarbeitern und zahlreichen Gemeindegliedern sowie gerade auch der Inhalt und die Wortwahl der sich hierauf beziehenden Stellungnahmen des Klägers vom 31. Oktober 1987 rechtfertigen den Schluss, dass unter den Gemeindegliedern zwei Parteien entstanden waren, von denen die eine aufseiten des Klägers stand, die andere jedoch sich außerstande sah, den Dienst des Klägers noch anzunehmen. Über bloße Meinungsverschiedenheiten, Reibungen und persönliche Spannungen, die in jeder Gemeinde unvermeidlich sind und zu einer gewissen Trübung des Verhältnisses zwischen Gemeindegliedern und Pfarrer führen können, aber einer gedeihlichen Führung des Pfarramtes im Sinne des Gesetzes noch nicht entgegenständen, ging die in der Gemeinde B. entstandene Entzweiung ersichtlich weit hinaus.
      Bei der Prüfung der Frage, ob eine Gemeinde so tief gespalten ist, dass ein Teil der Gemeinde nicht mehr imstande ist, den Dienst des derzeitigen Pfarrers anzunehmen, ist von dem Kreis der einem Gemeindepfarrer obliegenden Aufgaben auszugehen.
      Gemäß Art. 18 Kirchenordnung geschieht der Dienst an Wort und Sakrament vornehmlich durch den Pfarrer (Abs. 1 Satz 1). Der Gemeindepfarrer hat als Diener am Wort und als Hirte der Gemeinde den Auftrag, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten; er hat den Dienst der Unterweisung und der Seelsorge auszuüben; in Gemeinschaft mit den Presbytern liegt ihm die Leitung der Gemeinde ob (Abs. 2). Dass der Kläger nicht mehr in der Lage war, diese seine Aufgaben in der Gemeinde B. gegenüber der gesamten Gemeinde zu erfüllen, ergibt sich bereits aus seinen beiden an das Landeskirchenamt gerichteten Schreiben vom 31. Oktober 1987. Zwar hat er darin – möglicherweise durchaus guten Glaubens – die Versicherung abgegeben, seinen Aufgaben gegenüber jedem Gemeindeglied nachkommen zu können und zu wollen. Indessen kommt dieser Beteuerung in Anbetracht des gesamten übrigen Inhalts dieser – sehr umfangreichen – Schreiben keine entscheidende Bedeutung zu, weil der übrige Inhalt der Schreiben die Annahme des Gegenteils unabweisbar macht.
      In diesen Schreiben bezichtigt der Kläger seine Gegner in der Gemeinde etwa ein Dutzendmal der „Obstruktion“. Er belegt Glieder der ihm anvertrauten Gemeinde mit den Ausdrücken „Obstruktionisten“, „Sympathisanten“ und „Mitläufer“. Er schreibt seinen Widersachern die Absicht zu, gegen ihn „politagitatorischen Druck“ auszuüben, gegen ihn Vorgänge wie Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung zu „inszenieren“, ihn „plakativ zu diffamieren“, den erkannten Gegner „nach bestem parteipolitischen Kalkül um auch den letzten möglichen Preis auszuschalten“. Einem der Presbyter, der sein „politisches Profil decouvriert“ habe, bescheinigt der Kläger „Blindwut“ und beschuldigt ihn, die übrigen Presbyter „umgedreht“ zu haben; diese seien einer Manipulation erlegen. Der Kläger setzt diese Presbyter mit dem Worte „gefolgstreu“ herab, er spricht von einem „willfährigen Instrument der Gegensteuerung“. Im Hinblick auf den Presbyter, dem er „Blindwut“ bescheinigt hatte, wirft er die – unverständliche – Frage auf, ob es nur Zufall sei, dass erstaunlich viele Lehrer – wie dieser Presbyter – eine Abberufung wollten. Hinter den Presbytern stehe eine „Minderheitslobby“ bzw. „obstruierende Minderheit“, die einer überwiegenden Mehrheit gegenüberstehe; es beständen zwei „Interessensphären“, von denen die eine unverantwortlich dominieren wolle. Der Kläger zieht aus diesem Tatbestand die Folgerung, dass die Gemeinde nicht gespalten sei (S. 39 des ersten Schreibens vom 31. Oktober 1987). Indessen machen seine eigenen Ausführungen das Gegenteil deutlich. Wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss gleichen Rubrums vom 11. Oktober 1988 (VK 3/1988) dargelegt hat, mögen Äußerungen der Art, wie sie der Kläger in seinen beiden Schreiben vom 31. Oktober 1987 getan hat, in politischen Auseinandersetzungen oder bei Nachrichtendiensten gelegentlich (leider) üblich sein. So wenig es aber Gemeindegliedern freisteht, gegenüber ihrem Pfarrer eine solche befremdliche Tonart anzuschlagen, so wenig darf ein Pfarrer sich zum Gebrauch solcher Wendungen gegenüber Gliedern der ihm anvertrauten Gemeinde hinreißen lassen, und zwar selbst dann nicht, wenn er – wie der Kläger – im Rahmen eines Abberufungsverfahrens seine Interessen wahrnimmt und dabei Anlass haben mag, am Verhalten anderer möglicherweise scharfe Kritik zu üben. Wenn ein Pfarrer sich zudem noch in offensichtlich wohlerwogener schriftlicher Form gegenüber Dritten über Gemeindeglieder dergestalt äußert, so drängt dies selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er diese Äußerungen im Rahmen einer Anhörung tut, in der er sich – legitimerweise – gegen eine von der Kirchenleitung erwogene Abberufung zur Wehr setzt, den Schluss auf, dass er entweder nicht mehr bereit oder nicht mehr imstande ist, seinen Auftrag zur Wortverkündigung, Seelsorge und Liebestätigkeit unvoreingenommen und ohne äußeren oder inneren Vorbehalt gegenüber jedem Gemeindeglied zu erfüllen. So, wie der Kläger es getan hat, spricht ein Hirte selbst dann nicht über seine Schafe, wenn diese irren. Die angeführten, der Wortwahl nach gänzlich unangebrachten schriftlichen Äußerungen des Klägers lassen das Bild erklärlich erscheinen, das Presbyter in auffällig vorsichtig und zurückhaltend formulierten sowie hier und da sogar mit selbstkritischen Anmerkungen verknüpften Eingaben vom Verhalten des Klägers gezeichnet haben, dem sie ausdrücklich zugute halten, dass er gut zu predigen und sich auch – etwa bei Trauerfällen – einzelnen Gemeindegliedern durchaus zuzuwenden verstehe. Ob Presbyter, Mitarbeiter und Gemeindeglieder im Rahmen der zahlreichen in der Gemeinde B. während der Amtszeit des Klägers aufgetretenen Streitigkeiten in jedem Falle auf dem rechten Wege gewesen sind, der Kläger also niemals Anlass hatte, ihnen entgegenzutreten, bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung. Sowohl seine eigenen schriftlichen Eingaben als auch die Eingaben von Presbytern, Mitarbeitern und einigen Gemeindegliedern rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger bei Aufkommen von Meinungsverschiedenheiten allzu schnell als „Jurist“ aufzutreten geneigt ist. Der Kläger scheint die Funktion des Kirchenrechts zu verkennen; dieses soll, zumal innerhalb einer Gemeinde, nur Rahmen, nicht aber Leitlinie für das Verhalten des Pfarrers gegenüber Presbytern, Mitarbeitern und Gemeindegliedern sein. Auch der in Hinsicht auf den Satzbau eigenartig-entlegene, mit Fremd- und Kunstwörtern sowie sogar Neologismen übersäte Stil seiner Eingaben bestätigt Vorwürfe von Presbytern, schon seine Sprache drohe sie gewissermaßen mundtot zu machen. Diese Eingaben könnten fast zu der Annahme verleiten, dass der Kläger in Menschen, die seine Auffassungen nicht teilen, nicht so sehr Partner des gebotenen Dialogs, als vielmehr Personen erblickt, über die er Aussagen psychologischen, soziologischen, politologischen oder juristischen Inhalts zu machen aufgerufen zu sein meint.
  2. Dass die Kirchenleitung bei Ausübung der ihr in § 49 Abs. 1 PfDG („kann“) eingeräumten Ermessens fehlerhaft verfahren wäre, ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist das Ergebnis der von ihr im Rahmen der Ausübung des Ermessens anzustellenden Prognose,
    vgl. VGH der EKU, 2. Senat, Urteil vom 27. Februar 1984 – VGH 48/83 – (a.a.O.),
    ob künftig dem Kläger die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Gemeinde B. möglich sein wird, nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die geschilderte Situation sich in Zukunft hätte zum Besseren wenden können, bestanden nicht.
  3. Die Zuständigkeit der Kirchenleitung folgt aus § 50 Abs. 1 PfDG. Sie hat auf Antrag des Presbyteriums der Gemeinde, mithin auf Antrag des Leitungsorgans der Anstellungskörperschaft (§ 50 Abs. 1 PfDG) über die Abberufung beschlossen; der Kreissynodalvorstand hat der Abberufung zugestimmt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 PfDG i.V.m. § 7 des Westfälischen Ausführungsgesetzes zum Pfarrerdienstgesetz). Der Zeitraum zwischen Entscheidung und Abberufung des Klägers betrug mindestens 6 Monate (§ 50 Abs. 3 Satz 2 PfDG). Auch sonst sind Verstöße gegen die Form und Verfahren der Abberufung regelnden Vorschriften nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 Satz 1 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO; Gebühren und Auslagen werden für das Verfahren nicht erhoben (§ 29 Abs. 1 VwGG).