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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (nicht rechtskräftig – siehe Urteil des VGH 47/83)
Datum:22.06.1983
Aktenzeichen:VK 1/1983 und VK 4/1983
Rechtsgrundlage:§§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1 PfDG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Beurlaubung, Pfarramt, Amtsführung
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Die zweitinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VGH 47/83 aufrufen.
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Leitsatz:

  1. Eine nicht mehr gedeihliche Führung des Pfarramtes und damit ein Abberufungstatbestand liegt vor, wenn sich über Jahre in einer Kirchengemeinde erhebliche Differenzen und Spannungen ergeben hatten.
  2. Sind für eine Kirchengemeinde Bevollmächtigte bestellt, vertreten sie die Gemeinde auch im Verfahren über die Abberufung eines Pfarrers.

Tenor:

Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten der Verfahren, für die Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden, sowie seiner außergerichtlichen Kosten, werden dem Kläger auferlegt.
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Tatbestand:

Der am … 1931 in E. geborene Kläger studierte nach Beendigung seiner Schulausbildung ab 1951 Theologie, und zwar 4 Semester an der Kirchlichen Hochschule … und 6 Semester an der Universität …. Nach seinem Übergang in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in … legte er dort im Herbst 1958 die Erste Theologische Prüfung ab. Die Vikarsausbildung, die er für etwa ein Jahr aus Krankheitsgründen unterbrechen musste, schloss er im Herbst 1962 mit dem Zweiten Theologischen Examen in A. ab. Im Februar 1964 wurde er ordiniert. Danach war er 4 Jahre Pfarrer der Kirchengemeinde R., weitere 4 Jahre bis 1972 Pfarrer der Kirchengemeinde T.. Aufgrund eines Übernahme-Kolloqiums im Landeskirchenamt Bielefeld wurde ihm am 24. Juli 1972 die Anstellungsfähigkeit als Pfarrer der Beklagten verliehen.
Der Kläger ist verheiratet. Die Eheleute haben ein Pflegekind, das am … 1970 in W. geboren ist.
Ende 1972 wurde der Kläger durch Gemeindewahl zum Pfarrer der Kirchengemeinde R. berufen. Schon ab Oktober 1973 kam es zu Differenzen und Spannungen in der Gemeinde, die dazu führten, dass sich der Kläger mit einer schriftlichen Anfrage 1975 und seit November 1977 mit verschiedenen, gegen den Kirchenkreis L. gerichteten Anträgen an die Verwaltungskammer gewandt hat. Durch rechtskräftiges Urteil vom 10. April 1978 wurden die Anträge im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Verwaltungskammer im damaligen Verfahrensstadium wegen Unzuständigkeit noch nicht angerufen werden könne, wie sich nicht nur aus Art. 151 Abs. 1 der Kirchenordnung (KO) i.V.m. § 2 der kirchlichen Verwaltungsgerichtsordnung (KiVwGO), sondern auch aus §§ 2, 10 Abs. 3 KiVwGO und z.B. auch § 2 KiVwGO i.V.m. Art. 156 KO ergebe. Zunächst müsse die Verwaltung Gelegenheit haben, die Begehren des Klägers zu prüfen und darüber zu entscheiden. Soweit sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Februar 1978 wandte, wurde der Antrag deshalb abgelehnt, weil insoweit nach § 31 KiVwGO i.V.m. § 78 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Kirchenkreis L. nicht der richtige Beklagte sei.
Im Jahre 1978 kam es zu einem weiteren kirchengerichtlichen Verfahren. Durch rechtskräftiges Urteil vom 18. Mai 1979 – VK 5/1978 – hat die Verwaltungskammer auf den Antrag des Klägers unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 20. Februar 1978 festgestellt, dass der Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 hinsichtlich der Regelung für den Beginn der Amtszeit des gewählten Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Presbyterin P. zur stellvertretenden Vorsitzenden nicht der Bestimmung des Art. 65 Abs. 2 Satz 1 KO entspricht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten gegeneinander aufgehoben. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Februar 1980 zurückgenommen. Daraufhin hat der Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union – 2. Senat – VGH 33/79 – das Berufungsverfahren eingestellt und dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Da es trotz versuchten Neubeginns im Jahre 1980 wiederum zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen kam, die u.a. auch zu Strafanzeigen führten, beschloss die Beklagte am 24. November 1982 mit Zustimmung des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises L. und nach vorheriger Anhörung des Klägers und der Bevollmächtigten der Evangelischen Kirchengemeinde R. nach § 49 Abs. 1 Buchst. b) des Pfarrerdienstgesetzes (PfDG) die Abberufung des Klägers. Den gegen diesen Beschluss eingelegten Widerspruch des Klägers vom 30. November 1982 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. März 1983 als unbegründet zurück. Zuvor hatte das Landeskirchenamt nach dem Erlass des Abberufungsbeschlusses der Beklagten den Kläger durch einstweilige Anordnung am 1. Dezember 1982 gemäß § 51 Abs. 1 PfDG den Kläger von seinen Dienstgeschäften beurlaubt und gleichzeitig die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 31 KiVwGO angeordnet. Den gegen die einstweilige Anordnung nach § 51 Abs. 1 PfDG eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 1982 als unbegründet zurück. Der vom Kläger gestellte Antrag vom 13. Dezember 1982 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und seiner nach der Zurückweisung des Widerspruchs am 17. Januar 1983 erhobenen Klage wies der Vorsitzende der Verwaltungskammer durch Beschluss vom 19. Januar 1983 – VK 5/1982– zurück. Auf den Antrag des Klägers hat die Kammer diese Entscheidung durch Beschluss vom 24. März 1983 aufrechterhalten und dem Kläger die Kosten des Verfahrens, für das keine Gebühren und Auslagen erhoben werden, auferlegt.
Mit seinen Klagen vom 14. Januar 1983 – VK 1/1983 – und 5. April 1983 – VK 4/1983– führt der Kläger im Wesentlichen aus:
Die gegen ihn erlassenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Auf vor dem Jahre 1980 liegendes Verhalten könne nicht mehr zurückgegriffen werden. Die gegen ihn seinerzeit eingeleiteten Ermittlungen hinsichtlich verschiedener Vorfalle, in denen er sich angeblich pflichtwidrig verhalten haben solle, seien eingestellt worden. Mit Schreiben vom 12. Januar 1982 habe die Beklagte den Sachverhalt disziplinarrechtlich als erledigt betrachtet und ihm weder eine Warnung noch einen Verweis erteilt. Deshalb werde der gesamte Vorgang nicht in seiner Personalakte geführt. Zwischenzeitlich habe auch das Presbyterium der Kirchengemeinde R. ihm in der Sitzung vom 12. August 1980 durch einstimmigen Beschluss bestätigt, dass von seiner Seite keine Amtspflichtsverletzungen begangen worden seien. Ferner habe am 21. und 24. März 1982 eine Visitation durch den Superintendenten W. aus B. und die beiden leitenden Kirchenbeamten K. und G. von der Beklagten stattgefunden. Irgendwelche Beanstandungen seien von den Visitatoren nicht vorgebracht worden. Vielmehr sei er beim allgemeinen Abschluss der Visitation am 27. März 1982 von den Herren W. und K. gelobt worden. Diese hätten erklärt, dass sie bei ihm alles in bester Ordnung gefunden hätten. Deshalb sei er erstaunt gewesen, dass die Beklagte ihm ohne Erwähnung des positiven Visitationsberichtes mit Schreiben vom 28. September 1982 die Einleitung des Abberufungsverfahrens angekündigt habe. In rechtswidriger Weise seien zur Begründung im Wesentlichen nur solche Vorgänge angeführt worden, die Jahre zurückliegen würden und durch die Verfügung der Beklagten vom 12. Januar 1982 bereits bestandskräftig erledigt worden seien. Neu seien lediglich zwei Vorkommnisse gebracht worden, die sich am 18. Februar 1982 anlässlich des Chorfestes und am 24. März 1982 in der Sitzung des Presbyteriums zugetragen hätten. Als er anlässlich der Karnevalsfeier des Kirchenchores zu vorgerückter Stunde laut lärmende Mitglieder des Chores zur Ruhe aufgefordert habe, habe er die Mitglieder des Chores weder beleidigt noch beschimpft. Hingegen sei in der erwähnten Presbyteriumssitzung seine Frau durch den früheren Kirchmeister S. in der Weise beleidigt worden, dass dieser ihr – ohne bis heute den Wahrheitsbeweis führen zu können – Untreue bzw. Unterschlagung und Diebstahl bei der Abrechnung eines bestimmten Basars unterstellt habe. Insoweit werde gegen den früheren Kirchmeister S. von der Staatsanwaltschaft H. ermittelt. Schließlich drohten wegen anderer unberechtigter Eingriffe weitere kirchengerichtliche Verfahren. Bis heute habe er sich vergeblich um ein brüderliches Gespräch mit der Kirchenleitung bemüht.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss der Beklagten vom 24. November 1982, die einstweilige Anordnung des Landeskirchenamtes vom 1. Dezember 1982 und die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 29. Dezember 1982 und 10. März 1983 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag des Klägers abzuweisen.
Sie führt ergänzend aus, der Kläger habe die Vertrauensbasis, die für eine glaubwürdige Verkündigung und Seelsorge in der Kirchengemeinde notwendige Voraussetzung sei, verloren. Auf die früheren Vorkommnisse könne zurückgegriffen werden, weil es sich bei der jetzt ausgesprochenen Abberufung des Klägers um keine Disziplinarstrafe handele. Deshalb sei die Auffassung des Klägers, dass die Kirchenleitung Vorgänge, die einmal Gegenstand von disziplarrechtlichen Ermittlungen gewesen seien, im Abberufungsverfahren außer Betracht lassen müsse, unzutreffend. Ebenso sei die Erwähnung des Beschlusses des Presbyteriums vom 12. August 1980, in dem dem Kläger bestätigt worden sei, dass er keine Amtspflichten verletzt habe, unerheblich. Dabei könne in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben, dass das Presbyterium seinerzeit diesen Beschluss auf Veranlassung des Klägers gefasst und sich dazu nur bereitgefunden habe, um die erhoffte Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht von vornherein zu belasten. Auch treffe die Darstellung des Klägers über die Visitation nicht zu. Eine Erklärung, dass bei dem Kläger alles in bester Ordnung sei, oder gar ein dementsprechendes Lob sei seitens der Visitatoren nicht ausgesprochen worden. Ferner werde in der Klageschrift der Vorfall vom 18. Februar 1982, der zur Verärgerung des Kirchenchores geführt habe, unrichtig dargestellt. Schließlich würden die Ausführungen zum Vorfall am 24. März 1982 den Grund für die Abberufung des Klägers nur unwesentlich betreffen. Es komme nicht darauf an, was in der Sitzung des Presbyteriums in Wahrheit geäußert worden sei. Es werde nicht unterstellt, dass die Frau des Klägers finanzielle Unregelmäßigkeiten bei Basarabrechnungen begangen haben könnte. Maßgeblich sei vielmehr, welche Auswirkung der Vorgang auf das Verhältnis der Gemeinde zu ihrem Pfarrer gehabt hätte. Der gesamte Vorgang sei von dem Kläger und seiner Ehefrau in die Öffentlichkeit getragen worden. Der Kläger habe bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen seinen Kirchmeister erstattet, der ihn bis dahin stets gegen alle Vorwürfe verteidigt hätte. Dabei sei in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft H. gegen den früheren Kirchmeister S. eingestellt worden seien und dieser seinerseits Strafanzeige gegen den Kläger wegen übler Nachrede erstattet habe. Auch treffe die Darstellung des Klägers nicht zu, dass er 10 Jahre lang einen gedeihlichen pfarramtlichen Dienst versehen und man ihm das brüderliche Gespräch versagt habe. Es treffe auch nicht zu, dass er überraschend mit seiner Abberufung konfrontiert worden sei. Die Notwendigkeit der Abberufung sei durch die Entwicklung des gemeindlichen Lebens in der Kirchengemeinde R. seit Bekanntwerden des Abberufungsbeschlusses und der sofortigen Beurlaubung des Klägers von seinen Dienstgeschäften eindrucksvoll bestätigt worden. So hätten beispielsweise 10 Gemeindeglieder als ehrenamtliche Helfer den Kindergottesdienst neu belebt. Jetzt würden etwa 40 Kinder am Kindergottesdienst teilnehmen. Ein Besuchsdienst für Hausbesuche habe sich organisiert, die Frauenarbeit sei angewachsen, der Gottesdienstbesuch habe erheblich zugenommen und die Kollektenerträge hätten sich beträchtlich erhöht. Schließlich sei von besonderer Bedeutung noch, dass die Kirchengemeinde inzwischen bei einer Wahlbeteiligung von nahezu 30% ein neues Presbyterium gewählt habe. Bei den Gewählten handele es sich um Gemeindeglieder, die den Kläger als Gemeindepfarrer in R. ablehnen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verfahrensakten – VK 5/1982– und die überreichten Personalakten (2 Bände) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die gegen die Beurlaubung und die Abberufung gerichteten Klagen des Klägers sind zulässig, sachlich aber unbegründet, weil die gegen ihn erlassenen Maßnahmen rechtlich nicht zu beanstanden sind.
1. Wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 24. März 1983 – VK 5/1982– schon entschieden hat, ist die Beurlaubung des Klägers zu Recht geschehen.
Nach § 51 Abs. 1 PfDG kann das Landeskirchenamt durch einstweilige Anordnung den Pfarrer von seinen Dienstgeschäften beurlauben oder ihm eine andere pfarramtliche Tätigkeit übertragen. Zwar bestimmt Abs. 2, dieser Vorschrift, dass die einstweilige Anordnung aufzuheben ist, wenn die Kirchenleitung nicht innerhalb von drei Monaten die Abberufung beschlossen hat, es sei denn, dass der Pfarrer mit einer Verlängerung einverstanden ist. Jedoch folgt aus dieser Bestimmung nicht, dass sich damit schon deshalb die Beurlaubung erledigt habe, weil die Abberufung des Klägers rechtlich nicht beanstandet werden kann. Mit der Beurlaubungsverfügung und deren sofortigen Vollziehung wurde in rechtlich zulässiger Weise die Möglichkeit geschaffen, schon vor der Rechtskraft der Abberufung die für die Evangelische Kirchengemeinde R. notwendigen Schritte für einen Neubeginn der Gemeindearbeit einschließlich der Neuwahl eines Presbyteriums zu tun.
2. Die von der Beklagten gegen den Kläger ausgesprochene Abberufung ist rechtmäßig.
Maßgebende Rechtsgrundlage ist § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG. Diese Vorschrift bestimmt:
„(1) Ein Pfarrer kann im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn
  1. …,
  2. ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht,
  3. …,
  4. ….“
1. Wenn die Kammer in ihrem Urteil vom 10. April 1977, in der es ebenfalls um die Abberufung eines Pfarrers und seiner Versetzung in den Wartestand ging, ausgeführt hat, dass die in § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG enthaltene Sachvoraussetzung einen unbestimmten Rechtsbegriff darstelle, der der vollen Nachprüfung durch das Kirchengericht unterliege, weil der Subsumtionsvorgang nur rechtlich richtiges Ergebnis haben könne und somit insoweit ein Wahlrecht nicht bestehe, so wird diese Rechtsauffassung ausdrücklich aufgegeben. Vielmehr ist die Kammer unter Ubernahme der sich in Rechtslehre und Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum
– vgl. insoweit u.a. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Dezember 1971 – I C 61.68 – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG E) 39, 197 ff., Redeker/ von Oertzen, VwGO, 7. Aufl. Rd-Nr. 8 ff. und Kopp, VwGO, 2. Aufl. Rd-Nr. zu § 114 VwGO, mit jeweils weiteren Nachweisen –
nunmehr der Auffassung, dass diese Entscheidung der Kirchenleitung darüber, ob ein „Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht,“ mit Rücksicht auf die Besonderheiten jedes Einzelfalles einen erheblichen Einschlag wertender Elemente enthält, die durch Dritte nicht in vollem Umfange nachvollziehbar und deshalb in ihrem Kernbereich unvertretbar sind. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG und der Bedeutung der Abberufung eines Pfarrers stellt sie eine Maßnahme dar, die nur im Zusammenhang mit dem zwischen der Kirchenleitung als der für eine Abberufung allein zuständigen Stelle und einem Pfarrer bestehenden Verhältnis und den damit verbundenen, für einen Außenstehenden nicht erfassbaren spezifischen kirchlichen Belangen zutreffend gesehen werden kann. Die Kirchenleitung besteht nach Art. 142 KO aus 7 hauptamtlichen und 11 nebenamtlichen Mitgliedern. An ihrer Spitze steht der Präses als Vorsitzender, der u.a. auch Pastor pastorum ist. In Fällen, in denen wie bei einer Abberufung eines Pfarrers eine Vielzahl von Komponenten und Gesichtspunkten allgemeiner Art und dazu örtliche und persönliche Besonderheiten zu berücksichtigen sind, wäre es deshalb widersprüchlich, wenn die Verwaltungskammer befugt wäre, auf Grund eigener Ermittlungen ihre Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der Kirchenleitung darüber zu setzen, ob der objektive Tatbestand für eine Abberufung nach § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG gegeben ist oder nicht. Ebenso wie in den anderen von Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannten Fällen unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum bedeutet dies nicht, dass die Entscheidungen der Kirchenleitung der gerichtlichen Kontrolle insoweit entzogen sind. Vielmehr obliegt der Verwaltungskammer als Kirchengericht die Prüfung, ob die Kirchenleitung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sie die Grenzen ihrer „Einschätzungsprärogative“ eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet hat. Deshalb ist die Kirchenleitung verpflichtet, die von ihr erlassene Abberufungsentscheidung in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise zu begründen. Dabei muss sie in der Entscheidung die Beurteilungsmaßstäbe erkennen lassen, die sie ihrem Beschluss zugrunde gelegt hat. Anderenfalls unterliegt die Abberufung der gerichtlichen Aufhebung.
Mit dieser gerichtlichen Beschränkung der kirchengerichtlichen Kontrolle verletzt die Verwaltungskammer nicht die ihr nach Art. 152 Abs. 2 KO obliegende Aufgabe, wonach sie für die Entscheidung in Streitigkeiten aus dem Bereich der kirchlichen Ordnung und Verwaltung in den durch die Kirchenordnung oder durch Kirchengesetze bestimmten Fällen zuständig ist. Vielmehr ist das Gegenteil richtig. In Fällen, in denen nach der Komplexität des gesamten Tatbestandes mehrere vertretbare und damit rechtmäßige Entscheidungen möglich sind, verlangt auch diese Regelung nicht, dass die Auswahl unter ihnen letztverantwortlich von der Verwaltungskammer als Kirchengericht getroffen wird. Schließlich wird damit auch den in der mündlichen Verhandlung erörterten Fallgestaltungen hinreichend Rechnung getragen, in denen Presbyterien oder andere starke Gruppen innerhalb einer Kirchengemeinde ihnen aus bestimmten Gründen unliebsame oder unbequeme Pfarrer nicht mehr länger haben wollen.
2. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausgangslage kann die von der Beklagten gegen den Kläger erlassene Abberufung nicht beanstandet werden. Der von der Beklagten ermittelte Sachverhalt ist zutreffend und vollständig. Der Abberufungsbeschluss ist eingehend begründet und lässt keine Bewertungsfehler erkennen. Die von dem Kläger gegen diese Entscheidung vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
a) Wie der unstreitige Sachverhalt zeigt, hat es schon wenige Jahre nach der Berufung des Klägers zum Pfarrer in der Kirchengemeinde R. Differenzen und Spannungen in der Kirchengemeinde gegeben, die u.a. auch zu kirchengerichtlichen Verfahren geführt haben. Im Zuge der Streitigkeiten war es wiederholt zu Rücktritten von Presbytern gekommen, weil diese keine hinreichende Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger sahen. Wie sich die gesamte Entwicklung vollzogen hat, ist in dem angefochtenen Abberufungsbeschluss vom 24. November 1982 im Einzelnen dargestellt und auch vom Kläger in den wesentlichen Punkten nicht bestritten worden. Deshalb kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses verwiesen werden.
b) Zu der gegen den Kläger beabsichtigten Maßnahme ist er auch ordnungsmäßig gehört worden. Mit Schreiben vom 28. September 1982 ist ihm im Einzelnen mitgeteilt worden, aus welchen Gründen gegen ihn eine Abberufung erfolgen solle. Die ihm am 30. September 1982 gegen Rückschein zugegangene umfangreiche Mitteilung von insgesamt sechs Schreibmaschinenseiten hat er mit Schreiben vom selben Tage an die Beklagte mit dem Bemerken zurückgesandt, dass er sie nicht nur im Original zurückreiche, sondern er den Unterzeichner unter Hinweis auf ein Interview in der „M.-Zeitung“ vom 14. November 1979 wegen Befangenheit ablehne. Daraufhin wurde dem Kläger mit einem vom Vizepräsidenten Dr. M. unterzeichneten Begleitschreiben vom 7. Oktober 1982 die Mitteilung vom 28. September 1982 über die beabsichtigte Abberufung des Klägers erneut übersandt und darin u.a. erklärt, dass ihm zur Abgabe einer Stellungnahme die gewährte Frist bis zum 20. Oktober 1982 verlängert werde. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1982, das am 22. Oktober 1982 bei der Beklagten eingegangen ist, hat sich für den Kläger sein Verfahrensbevollmächtigter im Einzelnen geäußert.
c) Auch ist es rechtlich nicht fehlerhaft, wenn die Beklagte zur Begründung der Abberufung auf die früheren Streitigkeiten und Vorfälle zurückgegriffen hat. Zwar hat das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde R. in seiner Sitzung vom 12. August 1980 durch einstimmigen Beschluss bestätigt, dass der Kläger seine Amtspflichten nicht verletzt habe. Ebenso hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 1982 mitgeteilt, dass sie den Sachverhalt disziplinarrechtlich als erledigt betrachte und dem Kläger weder eine Warnung noch einen Verweis erteilt habe. Jedoch sind beide Erklärungen für das vorstehende Verfahren deshalb unerheblich, weil zum Einen ein wegen des im Jahre 1980 beabsichtigten Neubeginns gefasster Beschluss eines Presbyteriums für die Beklagte keine rechtliche Bindung enthalten kann und zum Anderen die von der Beklagten abgegebene Erklärung im Schreiben vom 12. Januar 1982 ausschließlich disziplinarrechtliche Bedeutung hat. Die Abberufung ist keine Disziplinarmaßnahme, sondern stellt eine, Entscheidung dar, der ausschließlich dienstrechtliche Bedeutung zukommt.
d) Schließlich ist der angefochtene Abberufungsbeschluss der Beklagten auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die notwendige Anhörung des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. nicht ordnungsmäßig erfolgt sei. Wenn im damaligen Zeitpunkt durch den Rücktritt von Presbytern Bevollmächtigte die Aufgaben hatten, so genügt gemäß Art. 83 Abs. 2 S. 1 und 2 KO deren Anhörung.
3. Bei der nach Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG verbliebenen Ermessensentscheidung hat die Beklagte nicht fehlerhaft gehandelt, wenn sie den Kläger abberufen hat. Diese Entscheidung ist von der Verwaltungskammer nach § 3 KiVwGO nur insoweit nachzuprüfen, als die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch worden ist. Beides ist nicht der Fall. Insbesondere hat die Beklagte in diesem Zusammenhang weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen noch das Gebot der Angemessenheit verletzt. So wurden gerade vonseiten der Beklagten immer wieder Versuche unternommen, voraufgegangene Streitereien beizulegen und nach einem Schlussstrich einen neuen Anfang zu wagen. Diese Versuche schlugen aber, wie die verschiedenen Vorgänge ab 1976 deutlich machen, immer wieder deshalb fehl, weil es in aller Regel an dem Kläger lag, dass die Zusammenarbeit im Presbyterium nicht ordnungsmäßig klappte (u.a. duldete er keinen Widerspruch, reagierte mit jähzornigen Ausbrüchen oder kam Anträgen und Bitten der Presbyter nicht nach und es auch innerhalb der Gemeinde zu ungewöhnlichen Vorfällen kam (u.a. beschimpfte er Gemeindemitglieder bei der Anmeldung von Amtshandlungen oder verweigerte in unzulässiger Weise das Sterbegeläut). Wie fehlerhaft das Verhalten des Klägers gewesen ist, zeigt nicht zuletzt z.B. sein Schreiben vom 14. September 1977 an den damaligen Presbyter und Kirchmeister Dr. G.. Obwohl dem Kläger bekannt sein musste, dass er als damaliger Vorsitzender des Presbyteriums nicht nach Art. 41 KO dafür zuständig war, teilte er Herrn Dr. G. darin mit, dass er ihm mit sofortiger Wirkung vorläufig „also bis auf Weiteres alle Rechten und Pflichten eines Presbyters und Kirchmeisters der Evangelischen Kirchengemeinde R.“ entziehe.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 31 KiVwGO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.