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Geltungszeitraum von: 17.10.1962

Geltungszeitraum bis: 26.02.2009

Kirchliche Dienstordnung
für die evangelischen Strafanstaltspfarrer

Vom 17. Oktober 1962

(KABl. 1962 S. 127)

Die Kirche hat von Gott den Auftrag empfangen, sein Reich und seine Herrschaft aller Welt zu bezeugen. Durch die Liebe ihres Herrn Jesus Christus und im Gehorsam gegen seinen Befehl weiß sie sich gesandt, auch den Gefangenen die frohe Botschaft von Gottes Gericht und Gnade zu verkündigen. Auf Grund dieses Auftrages entsendet sie Pfarrer in die Vollzugsanstalten, um unter Gottes Wort und an den Tisch des Herren zu rufen.
Nach dem Vorbild und auf Geheiß des Guten Hirten geht die Kirche dem Einzelnen nach. Sie hilft ihm durch Verkündigung, Unterweisung und Gebet, seiner Zugehörigkeit zu Christus und seiner Gemeinde im Glauben gewiss zu werden. Sie steht ihm in seinen Anfechtungen zur Seite. Sie dient dem Gefangenen und seinen Angehörigen durch ihre Diakonie.
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I. Allgemeine Dienstführung

  1. Der Pfarrer hat den ihm anvertrauten Dienst entsprechend seinem Ordinationsgelübde, gemäß der Ordnung der Kirche und den Angaben dieser Dienstordnung auszurichten. Er hat dabei die gesetzlichen Vorschriften, die Bestimmungen der Vollzugsordnungen und die sonstigen für die Bediensteten des Strafvollzugs ergangenen Anordnungen einzuhalten.
  2. Seinen Schriftwechsel mit den zuständigen Pfarrern, Behörden, Organisationen, Heimen usw. führt der Pfarrer unter der Dienstbezeichnung: “Der Vorstand des … (Bezeichnung der betr. Anstalt) – Der Evangelische Pfarrer – ”. Seine Korrespondenz in seelsorgerlichen Angelegenheiten bleibt vertraulich.
  3. In seinem Dienst ist der Pfarrer unbeschadet der allgemeinen Aufgaben seines Amtes an die Anstaltsinsassen evangelischen Bekenntnisses gewiesen. Eine Aufnahme in die evangelische Kirche soll während des Aufenthaltes in der Anstalt in der Regel nicht erfolgen, sondern auf die Zeit nach der Entlassung verschoben werden. Das Entsprechende gilt für die Wiederaufnahme der aus der Kirche ausgetretenen Gefangenen, soweit sie nicht durch einen geordneten Konfirmandenunterricht und die Konfirmation vollzogen wird.
  4. Der Pfarrer führt über durch ihn vollzogene Amtshandlungen ein Tagebuch, das er sorgfältig aufbewahrt, und er benachrichtigt die zuständigen Gemeinden am Ort oder in der Heimat zur Eintragung in das Kirchenbuch1#
  5. Der Pfarrer ist zur Mitarbeit bei der Ausbildung der Vollzugsbediensteten bereit und steht diesen – unbeschadet der Zuständigkeit der Gemeindepfarrer – als Seelsorger zur Verfügung. Er weiß sich mitverantwortlich für die Schaffung und Erhaltung einer guten Atmosphäre in der gesamten Anstalt. Er kann Anregungen und Wünsche zur Ordnung des Anstaltslebens der Anstaltsleitung vortragen. An den allgemeinen Dienstbesprechungen – und nach Bedarf an den besonderen Besprechungen – nimmt er teil.
  6. Im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter kann dem Pfarrer zur Erfüllung seiner seelsorgerlichen und fürsorgerischen Aufgaben ein von kirchlicher Seite angestellter Helfer beigegeben werden, für dessen Dienst er mitverantwortlich ist.
  7. Die Urlaubsvertretung wird im Einvernehmen zwischen Pfarrer und Anstaltsleiter, ggf. unter Mithilfe des Superintendenten, geregelt.
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II. Gottesdienst, Veranstaltungen, Unterricht

  1. Der Pfarrer hält Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen, Abendmahlsfeiern, Andachten und Bibelstunden. Darüber hinaus erteilt der Pfarrer evangelische Unterweisung, vor allem in den Jugendstrafanstalten, ferner Christenlehre für Erwachsene.
  2. Wird um die Taufe gebeten, so wird der Pfarrer sich um eine gründliche Vorbereitung zum Empfang der Taufe und der erstmaligen Teilnahme am Heiligen Abendmahl bemühen.
  3. Wo es möglich ist, kann nach gebührender Vorbereitung auch die Konfirmation innerhalb der Strafanstalt stattfinden.
  4. Die Zeiten für Gottesdienste und Veranstaltungen (Vorträge, Konzerte, Laienspiele u. Ä..) werden im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung festgelegt; Überschneidungen mit anderen Veranstaltungen sind zu vermeiden. Die Zeiten sind so anzusetzen, dass die Teilnahme der Gefangenen möglich ist.
  5. An Besuchen oder Veranstaltungen von kirchlichen oder außerkirchlichen Personen, Stellen oder Gruppen beteiligt sich der Pfarrer, wenn sein seelsorgerlicher Aufgabenkreis berührt wird.
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III. Seelsorge

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A. Seelsorge an den Gefangenen

  1. Der Pfarrer ist bemüht, jeden Gefangenen zu erreichen.
  2. Er hält sich für diejenigen Gefangenen bereit, die um ein Gespräch bitten.
  3. Der Pfarrer besucht die Kranken in den Revieren, Lazaretten und Hospitälern.
  4. Um seiner seelsorgerlichen Aufgabe willen kümmert sich der Pfarrer um die Neuaufgenommenen und die zur Entlassung kommenden Gefangenen.
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B. Dienst an den Angehörigen

  1. Hält es der Pfarrer für erforderlich, so kann er unter Beachtung der bestehenden Bestimmungen mit Zustimmung des Anstaltsleiters die Besuchsaufsicht übernehmen, z.B. bei Zerwürfnissen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern sowie zwischen Eheleuten.
  2. Für Rücksprachen mit Angehörigen hält der Pfarrer sich auf deren Bitten zur Verfügung.
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C. Sorge für den Lesestoff

Der Pfarrer hat mit dafür zu sorgen, dass den Gefangenen geeigneter Lesestoff übermittelt wird. Er ist um Beschaffung und Verteilung von Schriften und Blättern christlichen Inhaltes bemüht und macht Vorschläge zur Anschaffung von Büchern für die Anstaltsbibliothek.
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D. Mitwirkung bei Begnadigungen

Soweit es angängig ist, soll der Pfarrer zu Beurlaubungen, Strafaussetzungen und Begnadigungen seine Stellungnahme abgeben.
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E. Amtsverschwiegenheit

Der Pfarrer ist zur Wahrnehmung des Beichtgeheimnisses2# und zur Amtsverschwiegenheit3# verpflichtet.
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IV. Fürsorge

  1. Der Pfarrer ist in Verbindung mit seiner seelsorgerlichen Aufgabe auch an der fürsorgerischen beteiligt. Soweit vom Staat fürsorgerische Kräfte bestellt sind, ist er auf gute Zusammenarbeit mit ihnen bedacht. Er darf erwarten, dass ihm in Fällen, in denen kirchliche Einrichtungen, Werke der Inneren Mission u. Ä.. in fürsorgerischen Angelegenheiten angegangen werden, seine Mitwirkung ermöglicht wird.
  2. Der Pfarrer ist bemüht, geeignete evangelische Fürsorgeeinrichtungen (z.B. Evang. Gefängnisfürsorgeverein, Gefängnisgemeinde u. Ä..) zu schaffen und sich ihrer für seine Tätigkeit an den G efangenen, Entlassenen und deren Familien zu bedienen. Desgleichen weiß er sich dazu berufen, in jeder nur möglichen Weise die Sache der Gefängnisseelsorge zu vertreten, die Gewissen der Gemeinden für ihre Verantwortung an ihren straffällig gewordenen Gliedern zu schärfen und Wege zu praktischer Hilfe zu erschließen.4#
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V. Visitation

Regelmäßige Visitationen durch den Präses der Landeskirche bzw. durch seinen Beauftragten werden nach der “Visitationsordnung für die mit der Seelsorge an den Strafanstalten in Nordrhein-Westfalen beauftragten Pfarrer”5# (Kirchliches Amtsblatt der Evangelischen Kirche im Rheinland 1955 Nr. 21, der Evangelischen Kirche von Westfalen 1955 Nr. 16) durchgeführt.

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1 ↑ Siehe Kirchenbuchordnung (Nr. 870).
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2 ↑ Siehe auch Art. 22 Abs. 2,184 Abs. 5 KO (Nr. 1) sowie § 28 Abs. 1 Pfarrerdienstgesetz (Nr. 500).
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3 ↑ Siehe auch Art. 22 Abs. 1 KO (Nr. 1) und § 29 Pfarrerdienstgesetz (Nr. 500).
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4 ↑ Siehe auch Art. 22 Abs. 1 KO (Nr. 1) und § 29 Pfarrerdienstgesetz (Nr. 500).
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5 ↑ Nr. 75.