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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:19.11.1996
Aktenzeichen:VK 5/95
Rechtsgrundlage:PfDG § 45
KO Art. 77 Abs. 3, 20 Abs. 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Rechtsweg, Dienstanweisung, Stimmrecht, Fachausschuss
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Leitsatz:

  1. Gegen die Änderung einer Dienstanweisung einer Pfarrerin oder eines Pfarrers ist der Rechtweg gegeben.
  2. Für die Mitarbeit in einem Fachausschuss kann kein Stimmrecht eingefordert werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden.
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Tatbestand:

Die am …1932 geborene Klägerin verwaltet als Pastorin seit dem … 1973 die 2. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde … . Die Klägerin ist mit dem am …1937 geborenen Pfarrer … verheiratet, der ebenfalls seit dem … 1973 die 1. Pfarrstelle dieser Kirchengemeinde innehat.
Gemäß Ziffer 9 b) der Dienstanweisung vom 20. März 1973 für die Verwalterin der 2. Pfarrstelle hatte die Klägerin den Vorsitz im Kindergartenvorstand inne. Diese Dienstanweisung änderte das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde … durch Beschluss vom 15. Juni 1994 in folgender Weise ab:
„1.
Bei Punkt 9) Verwaltungsaufgaben wird der Unterpunkt b) gestrichen.
2.
Als Punkt 10) Aufgaben im Fachbereich „Kindergarten“ wird eingefügt:
a)
Gemäß § 2 (3) der „Richtlinien für Tageseinrichtungen für Kinder in der Evangelischen Kirche von Westfalen (TfK-RL)“ soll den „pädagogischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (…) zur theologischen Begleitung von der Kirchengemeinde eine Pfarrerin oder ein Pfarrer zur Seite gestellt werden“. Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde … betraut mit dieser Aufgabe die Verwalterin der 2. Pfarrstelle.
b)
Aufgrund dieser Mitarbeit der Verwalterin der 2. Pfarrstelle im Fachbereich „Kindergarten“ soll sie gemäß Art. 77 (3) KO in den Fachausschuss für Kindergartenangelegenheiten berufen werden. Sollte sie vom Presbyterium nicht als ordentliches Mitglied des Fachausschusses gewählt werden, so ist sie verpflichtet, an den Sitzungen des Fachausschusses mit beratender Stimme teilzunehmen.
3.
Punkt 10) Kirchenordnung wird Punkt 11) und Punkt 11) Änderungen der Dienstanweisung wird Punkt 12).“
Der Fachausschuss für Kindergartenangelegenheiten besteht nach § 2 Abs. 2 Buchst. b) und § 7 der Satzung der Evangelischen Kirchengemeinde … vom …1992, die nach ihrer kirchenaufsichtlichen Genehmigung vom … 1993 im Amtsblatt der Evangelischen Kirche von Westfalen vom … 1993, S. … veröffentlicht worden ist, aus fünf Mitgliedern, „davon als geborenes Mitglied der/die Leiter/in des …-Kindergartens“.
Von den Mitgliedern des Ausschusses müssen nach § 3 Abs. 2 S. 2 der Gemeindesatzung mindestens drei Mitglieder des Ausschusses Presbyter sein.
Der mit Schreiben vom 23. Februar 1995 eingelegten Beschwerde der Klägerin, die diese wegen Verstoßes gegen Art. 77 Abs. 1 und 3 der Kirchenordnung (KO) begründete, weil sie nicht zum stimmberechtigten Mitglied in den Fachausschuss Kindergarten berufen worden sei, half das Presbyterium in seiner Sitzung vom 17. März 1995 nicht ab. Vielmehr legte es die Beschwerde dem Landeskirchenamt nach § 45 des Pfarrerdienstgesetzes (PfDG) zur Entscheidung vor. Dies teilte der Vorsitzende des Presbyteriums der Klägerin mit Schreiben vom 20. März 1995 mit. Durch Bescheid vom 12. Juni 1995, die keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte das Landeskirchenamt die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Änderung der Dienstanweisung nicht zu beanstanden sei, weil eine Verletzung weder des Art. 77 Abs. 1 und 3 noch des Art. 20 Abs. 1 KO vorliege.
Gegen den ihr zugegangenen Bescheid des Landeskirchenamtes wendet sich die Klägerin mit ihrer am 4. Dezember 1995 erhobenen Klage. In Ergänzung ihrer Beschwerdebegründung verweist sie noch auf Art. 186 Abs. 1 bis 3 KO in Verbindung mit der Richtlinie für Tageseinrichtungen für Kinder in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 29. Oktober 1992 § 1 (3) und § 2 (3). Es gehe ihr um die wirksame theologische und religionspädagogische Begleitung der Mitarbeiter/-innen im evangelischen Kindergarten der Kirchengemeinde, die durch den Beschluss des Presbyteriums vom 15. Juni 1994 erheblich behindert werde, indem das Presbyterium sie zwar gemäß Art. 77 Abs. 3 KO in den Fachausschuss Kindergarten berufen habe, gleichzeitig jedoch beschlossen habe, sie nur mit beratender Stimme in dem Fachausschuss zu beteiligen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Landeskirchenamtes vom 12. Juni 1995 aufzuheben und das Landeskirchenamt zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der von den Beteiligten überreichten Unterlagen und die Sitzungsniederschrift über den Erörterungstermin vom 25. April 1996 verwiesen.
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Entscheidungsgründe:

  1. Die von der Klägerin erhobene Klage ist zulässig.
    Nach dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag begehrt die Klägerin mit ihrer Klage, den Bescheid des Landeskirchenamtes vom 12. Juni 1995 aufzuheben und das Landeskirchenamt zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Dem Umstand, dass dem angefochtenen Bescheid des Landeskirchenamtes vom 12. Juni 1995 der Beschluss des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde … vom 15. Juni 1994 vorausgegangen ist, kommt insoweit keine rechtliche Bedeutung zu. Wie sich aus der Klageerwiderung der Beklagten vom 30. Januar 1996 ergibt, wandte sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde gemäß § 45 PfDG gegen diese Änderung ihrer ursprünglichen Dienstanweisung vom 20. März 1973. Die neue, für die Klägerin erlassene Dienstanweisung vom 15. Juni 1994 stützt sich auf die Bestimmungen der Satzung der Evangelischen Kirchengemeinde … vom … 1992, die nach ihrer kirchenaufsichtlichen Genehmigung vom … 1993 im Amtsblatt der Evangelischen Kirche von Westfalen vom … 1993, S. …, veröffentlicht worden ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde der Klägerin durch das Landeskirchenamt in seinem Bescheid vom 12. Juni 1995 hat das Landeskirchenamt als kollegiales Leitungsorgan gemäß der ihm nach Art. 149 KO in Verbindung mit der dazu ergangenen Dienstordnung übertragenen Aufgaben auch die der Kirchenleitung als obersten Dienstbehörde nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974, S. 194, geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983, KABl. 1983, S. 214 (VwGG), obliegende Entscheidung getroffen. Aus diesem Grunde bedurfte es im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten hier keines besonderen Vorverfahrens mehr, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu klären.
  2. Die somit zulässige Klage ist aber unbegründet, weil die von dem Landeskirchenamt getroffene Entscheidung in ihrem sachlichen Inhalt nicht zu beanstanden ist.
    Mit der von dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde … getroffenen Regelung, dass, wenn die Verwalterin der 2. Pfarrstelle im Fachbereich „Kindergarten“ vom Presbyterium nicht als ordentliches Mitglied des Fachausschusses gewählt werden sollte, sie verpflichtet ist, an den Sitzungen des Fachausschusses mit beratender Stimme teilzunehmen, hat das Presbyterium mit dieser Entscheidung nicht gegen rechtliche Vorschriften verstoßen. Zwar bestimmt Art. 77 Abs. 3 S. 2 KO, dass in die Fachausschüsse in den Fachbereichen tätige Pfarrer und weitere Mitglieder des Presbyteriums, haupt- und nebenberufliche Mitarbeiter der Gemeinde sowie sachkundige Gemeindeglieder berufen werden sollen. Jedoch wird nichts darüber gesagt, ob es sich dabei um stimmberechtigte oder lediglich beratende Mitglieder handeln soll. Die Entscheidung darüber ist in das freie Ermessen des dafür zuständigen Presbyteriums gestellt. Für die Annahme, dass insoweit das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde … von seinem Ermessen in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht habe, liegen keine Anhaltspunkte vor. Insoweit hat die Klägerin auch keine sachlich beachtlichen Gesichtspunkte vorgetragen. Sie sind auch nicht aus den Umständen des Falles der Klägerin ersichtlich. Dabei kann sich die Klägerin auch nicht auf die Vorschrift des Art. 20 Abs. 1, 3. Absatz KO mit Erfolg berufen, wenn es dort heißt, dass die Förderung des kirchlichen Dienstes an der Jugend, den Männern und den Frauen der Gemeinde der Pfarrer sich angelegen sein lassen soll. Dieser Aufgabe kann auch ein „lediglich“ beratendes Mitglied mit Erfolg nachkommen. Der Tatsache, dass die Klägerin Pastorin und Verwalterin der 2. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde … ist, kommt für ihr Anliegen insofern keine besondere Bedeutung zu. Vielmehr lässt sich daraus eher das Gegenteil entnehmen. Wie die Klägerin sowohl in dem Erörterungstermin als auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärte, kommt sie ihrer Verpflichtung, an den Sitzungen des Fachausschusses mit beratender Stimme teilzunehmen, nicht nach. Wie grundsätzlich wichtig die Teilnahme auch von Personen mit lediglich beratender Stimme in der Kirche angesehen wird, und dass eine solche Aufgabe keine „rang mäßige Herabsetzung“ darstellt, machen die Art. 58, 76, 95 Abs. 2, 128 Abs. 2 und 146 Abs. 2 KO deutlich. So nehmen z. B. außer den in den Absätzen 1 bis 3 des Art. 58 KO genannten Predigern einer Kirchengemeinde Pastoren im Hilfsdienst und Inhaber oder Verwalter einer kreiskirchlichen Pfarrstelle und nach Abs. 4 selbst Superintendenten, denen als Inhaber der für den Superintendenten errichteten Pfarrstelle des Kirchenkreises der Dienst an Wort und Sakrament in der Kirchengemeinde übertragen ist, an den Sitzungen des Presbyteriums mit beratender Stimme teil. Auch haben Mitglieder der Kirchenleitung und des Landeskirchenamtes „nur“ das Recht, an den Sitzungen des Presbyteriums der Kirchengemeinde ihres Wohnsitzes mit beratender Stimme teilzunehmen. Aus diesem Grunde kann der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt werden, dass, wie sie in dem Erörterungstermin und auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärt hat, eine direkte Einwirkung in die Belange des Kindergartens nur mit beratender Stimme nicht möglich sei. Selbst für Außenstehende zeigen zum einen § 7 der Gemeindesatzung der Evangelischen Kirchengemeinde … als auch zum anderen die von der Beklagten erlassene Richtlinie für Tageseinrichtungen für Kinder in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 29. Oktober 1992 mit ihren detaillierten Regelungen auf, wie wichtig die Arbeit in Tageseinrichtungen für Kinder in der Evangelischen Kirche von Westfalen als Teil der Arbeit der Kirchengemeinde in evangelischer Ausrichtung ist. So werden dort neben den in § 1 genannten Grundsätzen und außer den in § 2 der Richtlinie gestellten Aufgaben des Trägers in den folgenden §§ 3 und 4 Regelungen über die pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und die Beteiligung der Eltern aufgeführt. Ferner werden im Anhang der Richtlinie Muster von Dienstanweisungen für die Leiter, die sozialpädagogischen Fachkräfte bzw. Gruppenleiter und die Erzieher als pädagogisch tätige Ergänzungskräfte in ihren Einzelheiten dargestellt. Mit ihren zahlreichen Einzelpunkten eröffnen § 7 der Satzung als auch die Richtlinie für Mitglieder eines Kindergartenausschusses einen weiten Raum für eine sachbezogene Mitarbeit. Bei entsprechendem Einsatz und guten Argumenten ist auch für einen Teilnehmer mit lediglich beratender Stimme eine direkte Einwirkung auf den Kindergarten durchaus denkbar. Allerdings ist eine solche Möglichkeit und Einflussnahme ausgeschlossen, wenn das Mitglied des Ausschusses, wie hier die Klägerin, entgegen der ausdrücklich angeordneten Verpflichtung an den Sitzungen des Ausschusses überhaupt nicht teilnimmt.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 31 VwGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzuweisen. Gebühren und Auslagen werden für das vorliegende Verfahren nach § 29 Abs. 1 VwGG nicht erhoben.