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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:11.10.1988
Aktenzeichen:VK 2/1987
Rechtsgrundlage:§ 42 Abs. 2 VwGO
§§ 1, 4 Kirchenmitgliedschaftsgesetz
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Aufsicht, Kirchenaufsichtliche Maßnahmen, Rechtsweg
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Leitsatz:

Ein bei der Kirchengemeinde angestellter Kirchemusiker hat im Streitfall mit dem Presbyterium keinen Rechtsanspruch auf Einleitung kirchenaufsichtlicher Maßnahmen durch die Kirchenleitung.

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,- DM festgesetzt.
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Tatbestand:

Zwischen dem Kläger, der als Kirchenmusiker im Nebenberuf seit mehreren Jahren bei der Evangelischen Kirchengemeinde A. angestellt war, und dem Presbyterium kam es wegen der Mitwirkung des von ihm geleiteten Chors an einer Kirchenmusik zum 125-jährigen Gemeindejubiläum im Oktober 1986 zu Meinungsverschiedenheiten, die auch nach Einschaltung weiterer kirchlicher Stellen nicht behoben werden konnten. Vielmehr steigerten sie sich nach weiterem Schriftwechsel zu Auseinandersetzungen. Schließlich führte das Ganze nach Androhung dienstrechtlicher Schritte zur Abmahnung des Klägers durch das Presbyterium. In dem beim Arbeitsgericht Münster angestrengten Verfahren hat sich die Evangelische Kirchengemeinde A. in dem gerichtlichen Vergleich vom 4. Dezember 1986 zur Zurücknahme der Abmahnung verpflichtet.
Mit der von ihm am 11. August 1987 erhobenen Klage beantragt der Kläger, der seit Oktober 1987 nicht mehr im Dienst der Kirchengemeinde steht und deshalb einen Rechtsstreit vor den Arbeitsgerichten führt, sinngemäß die Feststellung,
dass die Kirchenleitung zur Einleitung von bestimmten Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde A. aufgrund seiner Stellung als Kirchenmusiker im Nebenberuf bei der Kirchengemeinde nach den Bestimmungen der Kirchenordnung und der anderen Vorschriften verpflichtet war.
Die Beklagte, die dem Begehren des Klägers entgegentritt, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 1988 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere den ausführlichen Darlegungen des Klägers wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von ihm überreichten Unterlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die die Kammer nach § 31 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974 (KAB1. 1974 S. 194), geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983 (KAB1. 1983 S. 214) – VwGG – i.V.m. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unzulässig.
Trotz seines umfangreichen und eingehenden Vorbringens hat der Kläger keinen bestimmten Antrag gestellt, was er mit seiner Klage begehrt. Durch den nach Erhebung der Klage geführten Schriftwechsel und besonders die ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 1988 in dem Parallelverfahren VK 1/1987 ist deutlich geworden, was der Kläger mit seiner Klage anstrebt. Wie es in dem sinngemäß formulierten Antrag im Tatbestand ausgedrückt worden ist, begehrt der Kläger die Verpflichtung der Kirchenleitung als dem für die Beklagte handelnden Organ, gegenüber dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde A. als einem ihrer Aufsicht unterstellten Gremium durch bestimmte Anordnungen in seinem Sinne tätig zu werden. Dass für das arbeitsrechtliche Anliegen aus seinem Anstellungsvertrag der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben und somit der zum Kirchengericht ausgeschlossen ist, wird auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt. Aber auch die von ihm trotz eingehender Belehrung aufrechterhaltene Klage mit dem sinngemäß formulierten Antrag ist unzulässig. Abgesehen davon, dass dem Antrag die notwendige Klarstellung fehlt, welche Aufsichtsmaßnahmen konkret gemeint sind und sich dies auch nicht aus dem sonst so umfangreichen Vorbringen des Klägers entnehmen lässt, ist auch im kirchengerichtlichen Verfahren eine Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein.
Vgl. Urteil der Verwaltungskammer vom 16. Mai 1988 – VK 1/1986 – (rechtskräftig).
Nach herrschender Rechtsprechung und Rechtslehre bedeutet die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO
– vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Oktober 1964 – V C 58.63 – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG E) 19, 269 (271) und Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 25 zu § 42 VwGO, mit weiteren Nachweisen –
in erster Linie eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), die auch im kirchengerichtlichen Bereich gilt. Auch hier dient § 42 Abs. 2 VwGO dazu, die Popularklage auszuschließen. Deshalb kann vor den kirchlichen Verwaltungsgerichten in zulässiger Weise nicht jemand klagen, der nicht sein eigenes Recht oder eigenes rechtliches Interesse, sondern lediglich ein kirchliches Interesse zu wahren sucht.
Vgl. Bericht des früheren Vorsitzenden des Zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) der Evangelischen Kirche der Union, Prof. Dr. Gützkow (1978 – 1986) und die dort zitierten Beschlüsse des Gerichts vom 7. November 1983, VGH 50/83, 19. Dezember 1983, VGH 53/83, 12. April 1984, VGH 58 aus 84, 22. Mai 1984, VGH 54/83 und 5. September 1985, VGH 63/85.
Die Beklagte hat es, wie sich aus den Schreiben des Landeskirchenamtes vom 12. November 1986 und 16. Januar 1987 ergibt, abgelehnt, gegenüber dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde A. im Wege der Kirchenaufsicht tätig zu werden. Nach der Auffassung des Landeskirchenamtes bestand dafür keine Veranlassung, nachdem es die Beschwerde des Klägers geprüft hatte. Diese Ablehnung des Begehrens des Klägers stellt keine Entscheidung dar, durch die ein eigenes Recht oder ein eigenes rechtliches Interesse des Klägers beeinträchtigt wird. Als Gemeindeglied und somit als Mitglied der Beklagten nach § 1 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft vom 10. November 1976 (AB1. EKD 1976 S. 389; KABl. 1977 S. 26) sollen sich gemäß § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes die Kirchenmitglieder am kirchlichen Leben beteiligen, kirchliche Ämter und Dienste übernehmen und zu Spenden bereit sein. Zwar folgt u.a. daraus auch, dass ein Kirchenmitglied vorgesetzte Stellen auf bestimmte Missstände und ihm bekannt gewordenes Fehlverhalten von Kirchenbediensteten zumindest hinweisen kann. Ob ein Kirchenmitglied jedoch zu einem solchen Verhalten verpflichtet ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls hat das Kirchenmitglied aber keinen einklagbaren Anspruch darauf, dass die von ihm unterrichtete Aufsichtsstelle in der von ihm gewünschten Weise tätig wird und Maßnahmen einleitet. Dies schließt nicht aus, dass in einem kirchengerichtlichen Verfahren Einzelfragen des zwischen dem Kläger und der Evangelischen Kirchengemeinde A. geschlossenen Anstellungsvertrages möglicherweise inzidenter geprüft und entschieden werden müssten. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Beklagte aufgrund der von ihren Organen vorgenommenen Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Evangelische Kirchengemeinde A. rechtswidrig gehandelt hätte und deshalb bestimmte Anordnungen im Wege der Aufsicht getroffen worden wären. Wenn die Kirchengemeinde mit den Maßnahmen der Kirchenleitung nicht einverstanden wäre, könnte sie sich mit ihrer Beschwerde gemäß § 2 Abs. 3 VwGG an die Verwaltungskammer wenden. Nach dieser Bestimmung ist die Verwaltungskammer auch für die Entscheidung über Beschwerden gegen Beschlüsse der Kirchenleitung aus dem Bereich der kirchlichen Aufsicht gegenüber Kirchengemeinden, Verbänden und Kirchenkreisen zuständig.
Die Kostenentscheidung des Verfahrens, für das nach § 29 Abs. 1 VwGG weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden, beruht auf § 31 VwGG i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.
Gegen diese Entscheidung ist nach Art. 152 Abs. 2 der Kirchenordnung i.V.m. § 2 Abs. 1 und 3 und VwGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.