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Kirchengericht:Verwaltungsgerichtshof der UEK
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.05.1996
Aktenzeichen:VGH 6/95
Rechtsgrundlage:WR Art. 137 Abs. 3
GG Art. 12 Abs. 1, 33 Abs. 5, 140
PfPG § 58 Abs. 1
Vorinstanzen:Verwaltungskammer (VK 6/94)
Schlagworte:Altersgrenze, Vertrauensschutz, Grundrechte, Selbstbestimmungsrecht
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Die erstinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VK 6/94 aufrufen.
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Leitsatz:

  1. Die Herabsetzung der Altersgrenze für Pfarrer von 70 auf 65 Jahre durch Kirchengesetz im Jahr 1980 ist als generelle Festsetzung der Altersgrenze und auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
  2. Grundrechte und typusprägende Grundsätze des staatlichen Dienstrechts gelten für das kirchliche Dienstrecht allenfalls eingeschränkt. Auch wenn es um den äußeren Fortbestand oder die äußere Gestaltung eines Dienstverhältnisses zur Kirche geht, ist das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu berücksichtigen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 1995 ergangene Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

Der im Juni 1930 geborene Kläger ist seit 1966 Pfarrer. Von 1982 bis Ende Juni 1995 versah er seinen Dienst in der …-Kirchengemeinde in H..
Im Mai 1994 bat der Kläger seine Landeskirche um Bestätigung, dass die Altersgrenze von 65 Jahren für ihn nicht gelte und sein Dienstverhältnis über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus fortbestehe. Nachdem er die Mitteilung erhalten hatte, dass beabsichtigt sei, ihn nach den geltenden Bestimmungen Ende Juni 1995 in den Ruhestand zu versetzen, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Diese ist ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung ihres Urteils hat die Verwaltungskammer im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Nachdem zuvor die Altersgrenze von 70 Jahren gegolten habe, sei mit dem Kirchengesetz zur Änderung des Pfarrerdienstgesetzes der Evangelischen Kirche der Union vom 15. Juni 1980 (KABl. 1981 S. 85) die Altersgrenze auf 65 Jahre gesenkt worden. Dies könne rechtlich nicht beanstandet werden. Selbst wenn unterstellt werde, dass Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG für die kirchliche Rechtssetzung verbindlich seien, stehe die Herabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre mit diesen Verfassungsvorschriften im Einklang. Sie entspreche dem danach für die Beklagte bestehenden Gestaltungsspielraum. In Zeiten, in denen hinreichend genügend junge, gut ausgebildete und auch befähigte Bewerber zur Verfügung stünden, sei es vernünftig, die Altersgrenze auf die im sonstigen öffentlichen Dienst schon längst bestehende Zeitgrenze von 65 Jahren festzusetzen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, die Altersgrenze von 70 Jahren gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Pfarrerdienstrechts; sie habe deshalb 1980 nicht herabgesetzt werden dürfen. Im Übrigen sehe die Kirchenordnung der Beklagten vor, dass mit der Berufung zum Pfarrer ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf Lebenszeit begründet werde. Auch dem liege die Vorstellung einer bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres geltenden Lebensarbeitszeit zugrunde. Ferner entspreche eine Altersgrenze von 70 Jahren dem Gemeindeverfassungsrecht der Beklagten und seiner presbyterialen Ordnung. Die Presbyter hätten eine Amtszeit von 8 Jahren und schieden spätestens mit der Vollendung des 75. Lebensjahres aus ihrem Amt. Schließlich sei die Förderung des Nachwuchses kein ausreichender Grund für die generelle Herabsetzung des Ruhestandsalters der Pfarrer.
Der Kläger meint weiter, das angefochtene Urteil habe jedenfalls die zu seinen Gunsten sprechenden Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht mit dem erforderlichen Gewicht berücksichtigt. Er habe seinen Berufsweg als Pfarrer erst mit 35 Jahren beginnen können. Wesentlicher Beweggrund für die Berufswahl sei die seinerzeit bestehende hohe Altersgrenze gewesen. Von seinen 1968 und 1969 geborenen Kindern befinde sich eines noch in einer teuren Berufsausbildung. Diesem Kind sei er zum Unterhalt verpflichtet. Er habe auch mit einer Herabsetzung der Altersgrenze nicht rechnen müssen. Die im Änderungsgesetz aus dem Jahre 1980 vorgesehene Übergangsregelung sei unzureichend. Jedenfalls er habe Anspruch auf ein Fortbestehen der ursprünglichen Altersgrenze von 70 Jahren.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Über die Berufung kann der Senat gemäß § 12 Abs. 4 der Verordnung über den Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union (VGH-VO) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äußern.
§ 58 Abs. 1 Pfarrerdienstgesetz bestimmt in der seit In-Kraft-Treten des Kirchengesetzes zur Änderung des Pfarrerdienstgesetzes der Evangelischen Kirche der Union vom 15. Juni 1980 geltenden Fassung eine Altersgrenze von 65 Jahren. Danach ist der Kläger mit Ablauf des Monats Juni 1995 in den Ruhestand versetzt worden. Diese Regelung ist als generelle Festsetzung der Altersgrenze nicht zu beanstanden. Ebenso wenig kann der Kläger aus Vertrauensschutzgesichtspunkten beanspruchen, persönlich anders gestellt zu werden. Davon ist das angefochtene Urteil zu Recht ausgegangen.
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung – WRV – ordnet an, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnet und verwaltet. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Das Selbstbestimmungsrecht und die in ihm enthaltene Ermächtigung zur Schaffung eines autonomen kirchlichen Beamtenrechts ermöglichen es den begünstigten Religionsgemeinschaften, die Geltung des Arbeitsrechts für ihre Geistlichen und Kirchenbeamten auszuschließen und ein ihren Bedürfnissen angemessenes öffentlich-rechtliches Dienstrecht zu schaffen. Zwar wird der Staat durch eine solche Übertragung von Regelungsbefugnissen nicht vollständig von seiner Aufgabe entbunden, die Grundrechtspositionen und den sozialen Mindeststandard seiner Bürger zu schützen (vgl. Weber in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, S. 586), doch hat er andererseits die wertsetzende Bedeutung des verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu achten (vgl. BVerfGE 42, 312/332 ff.; 53, 366/404). Unter den für alle geltenden Gesetze im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sind folglich nur diejenigen Rechtsnormen zu verstehen, denen sich auch jede Religionsgesellschaft ohne Beeinträchtigung ihres Selbstverständnisses fügen kann und als Teil der Gesamtheit fügen muss. Danach gelten Grundrechte und typusprägende Grundsätze des staatlichen Dienstrechts für das kirchliche Dienstrecht allenfalls eingeschränkt. Auch wenn es um den äußeren Fortbestand oder die äußere Ausgestaltung eines Dienstverhältnisses zur Kirche geht, ist das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu berücksichtigen.
So gesehen ist die Festsetzung einer Altersgrenze von 65 Jahren in § 58 Abs. 1 Pfarrerdienstgesetz nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass bis zum 1. Januar 1983 eine Altersgrenze von 70 Jahren galt und dass die Herabsetzung der Altersgrenze nicht – oder jedenfalls nicht maßgeblich – auf neuen arbeitsmedizinischen Erkenntnissen über die generelle Leistungsfähigkeit von Pfarrern in der Altersgruppe von 65 bis 70 Jahren beruhte. Auch dann nämlich konnte der Kirchengesetzgeber in rechtlich bedenkenfreier Weise darauf Bezug nehmen, dass im staatlichen Bereich bereits seit 1920 eine Altersgrenze von 65 Jahren bestimmt ist, die auf der Überlegung beruht, dass die Mehrzahl der Beamten, die dieses Lebensalter erreicht haben, erfahrungsgemäß nicht mehr oder nicht mehr in jeder Hinsicht dienstfähig sind (vgl. Schwandt, ZBR 1984, S. 93/95; Finger, ZBR 1968, S. 28 ff.; Kremer, DÖD 1991, S. 123 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Herabsetzung der Altersgrenze dabei nicht entgegengehalten werden, die frühere Altersgrenze von 70 Jahren stelle einen hergebrachten und deshalb bestandsfesten Grundsatz des Pfarrerdienstrechts dar. Entsprechendes gilt nicht einmal für den staatlichen Bereich, indem das Lebenszeitprinzip, nicht jedoch die konkrete Altersgrenze den Schutz von Art. 33 Abs. 5 GG genießt (vgl. Schwandt a.a.O. S. 96). Erst recht konnte der Kirchengesetzgeber im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts deshalb an der Herabsetzung der Altersgrenze nicht gehindert sein.
Ohne Erfolg beruft der Kläger sich dagegen auf besondere Regelungen über die Amtszeit der Presbyter in der Kirchenordnung der Beklagten. Ihnen ist kein tragfähiges und durchschlagendes Argument dafür zu entnehmen, dass die Dienstzeit der Pfarrer bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres laufen muss.
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, der Kirchengesetzgeber sei aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gehalten gewesen, ihn von der Altersgrenze von 65 Jahren auszunehmen, kann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Werden die Maßstäbe zugrunde gelegt, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 10. Dezember 1985 (BVerfGE 71, 255 ff.) für den Vertrauensschutz bei der Änderung von Regelungen über den Eintritt in den Ruhestand entwickelt hat, so kann hier nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger eine ausreichend bemessene Zeit zur Verfügung hatte, um sich auf die Herabsetzung der Altersgrenze einzustellen. Jedenfalls mit dem In-Kraft-Treten des Kirchengesetzes zur Änderung des Pfarrerdienstgesetzes der Evangelischen Kirche der Union vom 15. Juni 1980 zum 1. April 1981 musste dem Kläger klar sein, dass die Altersgrenze ab 1. Januar 1983 bei 65 Jahren lag. Er hatte mithin mehr als 14 Jahre Zeit, seine persönliche Lebensplanung auf diesen Umstand auszurichten. Dies gilt auch in Bezug auf die Ausbildung und den Unterhalt für seine Kinder. Soweit der Kläger darauf hinweist, er habe den Beruf des Pfarrers maßgeblich auch wegen der früheren Altersgrenze von 70 Jahren ergriffen, könnte ein so weitgehendes Vertrauen in den Fortbestand der seinerzeit bestehenden Altersgrenze nicht als schutzwürdig bezeichnet werden (ebenso Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Urteil vom 5. Juni 1992 – Konf R 12/92).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 Abs. 1 VGH-VO.