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Kirchengericht:Verwaltungsgerichtshof der UEK
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:17.08.1998
Aktenzeichen:VGH 1/97
Rechtsgrundlage:KBG §§ 66 Abs. 3, 32, 61 Abs. 1
Vorinstanzen:Verwaltungskammer (VK 4/95)
Schlagworte:Kirchenaustritt, Entlassung Kirchenbeamtenverhältnis
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Die erstinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VK 4/95 aufrufen.
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Leitsatz:

Zum Kirchenaustritt einer Studienrätin im Kirchendienst, der damit verbundenen Entlassung aus dem Kirchenbeamtenverhältnis und zu den Ermessensabwägungen bei Prüfung der Ausnahmeregelung.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 19. November 1996 geändert. Die Entlassungsverfügung des Landeskirchenamtes der Beklagten vom 19. April 1995 in der Form des Widerspruchsbescheides der Kirchenleitung der Beklagten vom 13. Oktober 1995 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden.
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Tatbestand:

Die 1943 geborene Klägerin trat nach Ablegung der Staatsprüfungen für das Lehramt an Gymnasien im August 1971 in den Dienst der Beklagten. Zum 1. April 1974 wurde sie unter Übernahme in das Kirchenbeamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Studienrätin im Kirchendienst ernannt. Ihren Dienst versah die Klägerin am Evangelischen Gymnasium in …. Nach zwischenzeitlicher Beurlaubung für die Schuljahre 1977/78 und 1978/79 wurde sie mit Wirkung vorn 1. April 1982 zur Oberstudienrätin im Kirchendienst befördert.
Ab 1987 kann es bei der Klägerin vermehrt zu krankheitsbedingten Fehlzeiten. Nach zahlreichen Untersuchungen und Behandlungen stellte das Gesundheitsamt des Kreises … mit Begutachtung vorn 4. August 1994 für die Klägerin dauernde Dienstunfähigkeit wegen einer schweren depressiven Symptomatik fest. Auf ihren Antrag wurde die Klägerin mit Ablauf des 31. August 1994 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Im Oktober 1994 erklärte die Klägerin ihren Austritt aus der Evangelischen Kirche und wurde am 1. November 1994 in die Katholische Kirche aufgenommen. Dieser Umstand gelangte dem Landeskirchenamt der Beklagten noch im November 1994 zur Kenntnis. Der zuständige Bearbeiter fertigte daraufhin unter dem 14. November 1994 einen Vermerk, in dem es auszugsweise heißt:
„Bei Wirksamwerden der Austrittserklärung ist Frau … aufgrund von § 66 Abs. 3 Buchst. a des Kirchenbeamtengesetzes aus dem Kirchenbeamtenverhältnis, das trotz des Ruhestandes fortbesteht (§ 61 Abs. 1 des Kirchenbeamtengesetzes) zu entlassen (zwingender einseitiger Verwaltungsakt). …
Da Frau … offensichtlich nach wie vor unter einer depressiven Symptomatik leidet, die letztlich auch zu ihrer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand geführt hat (…), könnte angenommen werden, dass sich die Versorgungsempfängerin über die tief greifenden Folgen aus ihrem Kirchenaustritt völlig im Unklaren war und sie diese Handlung möglicherweise unüberlegt und überstürzt vorgenommen hat. Daher sollte zunächst überlegt werden, ob es durch ein persönliches Gespräch zwischen Frau … und dem Superintendenten des Kirchenkreises … gelingen kann, dass sie ihren Schritt (die Austrittserklärung ist inzwischen wirksam geworden) rückgängig macht und schnellstmöglich in die Evangelische Kirche wieder einzutreten bereit ist …“.
Das angeregte Gespräch des Superintendenten … mit der Klägerin und Begleitpersonen fand am 10. Januar 1995 statt. Die Klägerin bat dabei um einige Tage Bedenkzeit für eine abschließende Stellungnahme, die sie am 7. Februar 1995 schriftlich abgab. Darin heißt es:
„Zum Zeitpunkt des Austritts aus der Evangelischen Kirche war ich mir zwar der Auswirkungen dieses Schrittes nicht bewusst, doch muss ich trotz der sich für mich ergebenden Nachteile zu meiner Entscheidung stehen. Wenngleich mein persönlicher Weg in die Katholische Kirche geführt hat, schmälert dies nicht meine Wertschätzung gegenüber der Evangelischen Kirche, die den Glauben in mir grundgelegt hat. Ich hoffe trotz der sich ergebenden Schwierigkeiten auf Ihr gütiges Entgegenkommen.“
Nach Einholung einer Refinanzierungszusage des Landes Nordrhein-Westfalen für die Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge entließ die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 19. April 1995 aus dem Kirchenbeamtenverhältnis. Sie stellte zugleich fest, dass die Klägerin damit ihren Anspruch auf Ruhegehalt verliere und nachversichert werde. Der Nachversicherungsbeitrag belaufe sich nach ihrer Berechnung auf 343.102,88 DM. In der Folge wurde die Nachversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beantragt, jedoch wegen der ausbleibenden Vollziehbarkeit des Entlassungsbescheides bisher nicht durchgeführt.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid der Kirchenleitung vom 13. Oktober 1995 ist ausgeführt, im kirchlichen Beamtenrecht führe der Eintritt in den Ruhestand nicht zur Beendigung des Beamtenverhältnisses. Der Kirchenbeamte sei vielmehr im Ruhestand nur von der Dienstleistungspflicht und den damit verbundenen Amtspflichten befreit. Die Entlassungsvorschrift des § 66 Abs. 3 Buchst. a des Kirchenbeamtengesetzes könne deshalb nicht so ausgelegt werden, dass sie nur aktive Beamte erfasse. Es gebe auch keinen Anlass, eine andere Entscheidung als die Entlassung vorzusehen. Zunächst habe die Klägerin dazu nichts vorgetragen. Eine unzumutbare Härte in Bezug auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin sei wegen der durchzuführenden Nachversicherung nicht ersichtlich. Im Übrigen erfülle der Sachverhalt den Tatbestand des Entlassungsgrundes in geradezu klassischer Weise. Die vollständige persönliche Identifikation mit der Lehre, den Grundsätzen und den Bekenntnissen der Evangelischen Kirche sei Frau … offensichtlich nicht mehr möglich. Nicht persönliche Auseinandersetzungen oder Einzelkonflikte seien Anlass für den Austritt gewesen, sondern eine zumindest teilweise verloren gegangene Grundübereinstimmung mit der Evangelischen Kirche. Bei einer derartigen Sachlage sei es keiner der Parteien zumutbar, sich den sich aus einer Fortsetzung des Kirchenbeamtenverhältnisses ergebenden Pflichten weiterhin auszusetzen.
Gegen diese Verwaltungsentscheidungen hat die Klägerin Klage zur Verwaltungskammer der Beklagten erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Anwendungsbereich des § 66 Abs. 3 Buchst. a Kirchenbeamtengesetz sei dahin zu reduzieren, dass er nur aktive Kirchenbeamte erfasse. Die nach Satz 2 der genannten Vorschrift für die oberste Dienstbehörde mögliche andere Regelung sei hier vor dem Erlass des Entlassungsbescheides nicht geprüft worden. Dieser Fehler des Verfahrens könne nicht geheilt werden. Im Übrigen habe auch inhaltlich Veranlassung bestanden, eine andere Regelung als die Entlassung zu treffen. In ihrer früheren Dienststelle, dem Evangelischen Gymnasium …, seien zahlreiche katholische Lehrkräfte tätig.
Mit Urteil vom 19. November 1996 hat die Verwaltungskammer die Klage abgewiesen.
Aus dem Zusammenhang von § 61 Abs. 1 Kirchenbeamtengesetz – KBG – mit der Entlassungsvorschrift in § 66 Abs. 3 Buchst. a KBG ergebe sich, dass auch ein Kirchenbeamter im Ruhestand noch aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden könne. § 13 Abs. 1 der Kirchenbeamtenbesoldungs- und -versorgungsordnung bestätige dieses Verständnis des Gesetzes, weil er vorsehe, dass einem Kirchenbeamten im Falle seiner Entlassung nach § 66 Abs. 3 Buchst. a KBG ein Unterhaltsbeitrag oder ein Übergangsgeld bewilligt werden könne, wobei dies nach Satz 2 der Vorschrift hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages für einen Kirchenbeamten im Ruhestand entsprechend gelte. Danach sei die Klägerin hier zu entlassen gewesen. Nach dem Ablauf des Verfahrens habe keine Veranlassung bestanden, in eine nähere Prüfung darüber einzutreten, ob eine andere Entscheidung als die Entlassung habe getroffen werden können. Dies hätte mindestens einen entsprechenden Antrag der Klägerin vorausgesetzt, der jedoch vor der Entlassung nicht gestellt worden sei. Demgegenüber sei die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht in vorbildlicher Weise nachgekommen, wie sich aus der Durchführung des Gespräches mit der Klägerin vom 10. Januar 1995 ergebe. Schließlich könne die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kirchenleitung vor dem Erlass des Entlassungsbescheides nicht eingeschaltet worden sei und dass in der ehemaligen Dienststelle der Klägerin auch katholische Lehrkräfte beschäftigt würden.
Mit ihrer am 5. Februar 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Berufung gegen das ihr am 10. Januar 1997 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Entlassung. Sie wendet gegen die Bescheide unverändert ein, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, sie als Ruhestandsbeamtin noch zu entlassen. Hilfsweise macht sie geltend, dass das Kirchenbeamtengesetz bei einem Verständnis im Sinne der angefochtenen Bescheide gegen höherrangiges Recht verstoße. Im Übrigen sei in fehlerhafter Weise von § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG kein Gebrauch gemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Entlassungsverfügung der Beklagten (Landeskirchenamt) vom 19. April 1995 und den Widerspruchsbescheid der Kirchenleitung der Beklagten vom 13. Oktober 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen fest, verteidigt das angefochtene Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass die Kirchenleitung im Widerspruchsbescheid in nicht zu beanstandender Weise eine anderweitige Entscheidung nach § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG abgelehnt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsstreitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind – soweit wesentlich – zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
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Entscheidungsgründe:

Da das Gerichtsverfahren vor dem In-Kraft-Treten des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) vom 16. Juni 1996 – anhängig gemacht worden ist, ist es nach § 72 Abs. 1 VwGG nach dem bisherigen Verfahrensrecht, also dem Kirchengesetz über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974 (KABl. S. 194) und der Verordnung über den Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union vom 4. November 1969 (Abl. EKD S. 483) zu Ende zu führen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen über die Entlassung der Klägerin aus dem Kirchenbeamtenverhältnis rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Mit den Bescheiden hat die Klägerin von dem ihr in § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG eingeräumten Ermessen in einer Weise Gebrauch gemacht, die dem Zweck der Ermächtigung nicht entspricht.
Im Ausgangspunkt zu Recht geht die Verwaltungskammer allerdings mit den Bescheiden der Beklagten davon aus, dass für die Klägerin als Ruhestandsbeamtin der Entlassungstatbestand des § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 KBG grundsätzlich gilt und anwendbar ist. Das kirchliche Beamtenrecht (insbesondere § 61 Abs. 1 KBG) ergibt insoweit unzweideutig, dass mit der Versetzung eines Kirchenbeamten in den Ruhestand eine Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht eintritt. Vielmehr werden lediglich die Dienstleistungspflicht und die damit im Zusammenhang stehenden Amtspflichten suspendiert.
Dazu kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des vorinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden. Eine solche Regelung hält sich innerhalb der Grenzen des der Beklagten durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung garantierten Rechts, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten. Anhaltspunkte für einen denkbaren Verstoß von § 66 Abs. 3 Buchst. a KBG in der auch hier vertretenen Auslegung gegen höherrangiges Verfassungsrecht sind deshalb nicht gegeben.
§ 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde im einzelnen Fall eine andere Regelung als die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis treffen kann. Ob die Dienstbehörde – das Landeskirchenamt – danach von Amts wegen verpflichtet war, die Kirchenleitung als oberste Dienstbehörde bereits vor dem Erlass des Entlassungsbescheides einzuschalten, oder ob eine solche Verfahrenspflicht nur durch einen entsprechenden Antrag von Betroffenenseite ausgelöst werden konnte, wie die Verwaltungskammer annimmt, kann hier dahinstehen; denn die Klägerin hat mit ihrer abschließenden Stellungnahme vom 7. Februar 1995 geäußert, sie hoffe trotz der sich ergebenden Schwierigkeiten auf ein gütiges Entgegenkommen. Dies konnte und musste unter den obwaltenden Umständen als Bitte und Antrag aufgefasst werden, von einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen und stattdessen eine andere Entscheidung zu treffen. So gesehen erweist sich die Nichtbefassung der obersten Dienstbehörde vor dem Erlass des Ausgangsbescheides vom 19. April 1995 als verfahrensfehlerhaft.
Indessen muss dieser Verfahrensfehler in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 5 VwVfG in der seinerzeit noch geltenden Fassung vor dem In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes vom 12. September 1996 (BGBl I S. 1354) als geheilt angesehen werden. Die Kirchenleitung hat sich nämlich ausweislich des Widerspruchsbescheides im Widerspruchsverfahren ausdrücklich mit der Möglichkeit einer Ausnahmeregelung befasst, diese jedoch abgelehnt.
Die von der obersten Dienstbehörde im Widerspruchsverfahren vorgenommene Ermessensbetätigung ist jedoch in ihrer bisherigen Form fehlerhaft. § 3 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen (a.a.O.), der hier wegen § 72 Abs. 1 VwGG noch anwendbar ist, bestimmt, dass Ermessensentscheidungen der Nachprüfung durch die Verwaltungskammer nur insoweit unterliegen, als die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Ein Ermessensfehlgebrauch in dem letztgenannten Sinne ist hier zu verzeichnen. Als Zweck der Ermächtigung im § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG ist dabei nicht nur der engere Sinn der isoliert betrachteten Vorschrift zu sehen, die im Übrigen zu berücksichtigende Gesichtspunkte nicht ausdrücklich nennt; in den Zweck einzubeziehen sind vielmehr auch die sonstigen, für die Verfassung der Beklagten bestimmenden Regeln ihres geschriebenen Rechts.
Dazu gehört auch die in § 32 Satz 1 KBG niedergelegte Fürsorgepflicht des kirchlichen Dienstherrn. Sie bestimmt, dass der Kirchenbeamte in seiner Stellung Schutz und Fürsorge der Kirche, insbesondere seines Dienstgebers genießt. Diesem Grundsatz entsprechen die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht in ausreichendem Maße. Zwar hat die Beklagte – was die Verwaltungskammer hervorhebt – dem zunächst durch die Anberaumung des Gesprächs mit der Klägerin vom 10. Januar 1995 entsprochen; doch diente die Anhörung der Klägerin ausweislich des Vermerks vom 14. November 1994 allein der Klärung der Frage, ob die Klägerin bereit sein könnte, aus der Katholischen Kirche wieder aus- und in die Evangelische Kirche wieder einzutreten. Daraus muss geschlossen werden, da ss die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung nach § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG nicht Gegenstand des Gesprächs mit der Klägerin waren.
Es bestand jedoch für die Beklagte Veranlassung, bereits von Amts wegen die Gesichtspunkte zu erwägen, die dem Vorgang der Klägerin eine durchaus besondere Prägung geben. Die Klägerin war im Zeitpunkt ihres Kirchenaustritts bereits Ruhestandsbeamtin und sie war aufgrund einer schweren seelischen Erkrankung vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Vor allem der letztgenannte Gesichtspunkt hätte nicht nur die Abklärung der Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidungen der Klägerin erfordert, sondern die Beklagte darüber hinaus auch aufgerufen, eine Ausnahmeentscheidung nach § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG jedenfalls zu bedenken und ins Auge zu fassen. Dies ist nicht geschehen, wie der Widerspruchsbescheid deutlich zu erkennen gibt. Ob dessen zentrale Begründung für die Ablehnung einer Ausnahme, dass nämlich die soziale Sicherung der Klägerin durch die Nachversicherung gewährleistet sei, tragfähig ist, was nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bezweifelt werden mag, kann danach für das Ergebnis dahinstehen. Jedenfalls konnte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung nicht ohne weitere Erörterung auf dem Standpunkt verharren, es handele sich geradezu um den klassischen Fall des Kirchenaustritts einer Kirchenbeamtin, der keine Besonderheiten aufweise.
Im Übrigen und ohne dass es für das Ergebnis noch darauf ankommt, mag auch bezweifelt werden, dass die bisherigen Verwaltungsentscheidungen dem Gesichtspunkt ausreichende Beachtung schenken, dass die Klägerin zur Katholischen Kirche und nicht zu einer nicht-christlichen Religionsgemeinschaft übergetreten ist. Art. 3 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 (KABl. 1954 S. 25) sieht vor, dass die Evangelische Kirche von Westfalen der Ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen verpflichtet ist. Sie steht durch die Evangelische Kirche in Deutschland in der Gesamtordnung des Ökumenischen Rates der Kirche. Dieser ist nach seiner Verfassung (Verfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Dezember 1975 – <Abl. EKD 1977 S. 107>) eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (Art. I der Verfassung). Der Aufgabenbereich des Ökumenischen Rates erstreckt sich unter anderem auch auf das Ziel, die Kirchen aufzurufen zu dem Ziel der sichtbaren Einheit im einen Glauben (Art. 111 Ziffer 1 der Verfassung). Auch wenn die Katholische Kirche ihrerseits dem Ökumenischen Rat nicht angehört – die gleichwohl stattfindende Zusammenarbeit in vielen örtlichen und inhaltlichen Bereichen mag hier außer acht gelassen werden –, ändert dies an dem Auftrag der Mitglieder des Ökumenischen Rates nichts. Sollen diese Grundentscheidungen mehr sein als unverbindliche Programmsätze, so spricht vieles dafür, sie in eine Ermessensbetätigung wie diejenige nach § 66 Abs. 3 Buchst. a Satz 2 KBG jedenfalls in der Weise einzubeziehen, dass sie in die Erwägungen eingestellt, in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht entsprechend ihrer Funktion bewertet und sodann mit und gegen die übrigen berücksichtigungsbedürftigen Umstände abgewogen werden.
Danach waren die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben. Es obliegt der Beklagten, zu der Frage, ob die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden soll, eine neue Ermessensentscheidung herbeizuführen, für die neben den genannten Gesichtspunkten auch die – neuen – Umstände zu berücksichtigen sind, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Juli 1998 mitgeteilt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 VGH-VO in Verbindung mit § 29 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen.