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Verfassung
für das Land Nordrhein-Westfalen

Vom 18. Juni 1950

(GV. NW. 1950 S. 127)

Auszug
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Zweiter Teil
Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens

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ZWEITER ABSCHNITT
Die Familie

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Artikel 6

( 1 )
( 2 )
( 3 ) Das Mitwirkungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in den Angelegenheiten der Familienpflege und der Jugendfürsorge bleibt gewährleistet und ist zu fördern.
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DRITTER ABSCHNITT
Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften

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Artikel 7

( 1 ) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
( 2 ) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.
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Artikel 8

( 1 ) Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung. Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, dass das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.
( 2 ) Es besteht allgemeine Schulpflicht; ihrer Erfüllung dienen grundsätzlich die Volksschule und die Berufsschule.
( 3 ) Land und Gemeinden haben die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige, fachlich vorgebildete Beamte ausgeübt.
( 4 ) Für die Privatschulen gelten die Bestimmungen des Artikels 7 Abs. 4 und 5 des Grundgesetzes1# der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 zugleich als Bestandteil dieser Verfassung. Die hiernach genehmigten Privatschulen haben die gleichen Berechtigungen wie die entsprechenden öffentlichen Schulen. Sie haben Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse.
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Artikel 9

( 1 ) Der Unterricht in den Volks- und Berufsschulen ist unentgeltlich.
( 2 ) Einführung und Durchführung der Schulgeldfreiheit für die weiterführenden Schulen sowie die Lehr- und Lernmittelfreiheit für alle Schulen sind gesetzlich zu regeln. Zum Zwecke des Studiums sind im Bedarfsfalle besondere Unterhaltsbeihilfen zu gewähren. Soweit der Staat für die öffentlichen Schulen Schulgeldfreiheit gewährt, sind auch die in Artikel 8 Abs. 4 genannten Privatschulen berechtigt, zulasten des Staates auf die Erhebung von Schulgeld zu verzichten; soweit er Lehr- und Lernmittelfreiheit gewährt, sind Lehr- und Lernmittel in gleicher Weise für diese Privatschulen zur Verfügung zu stellen wie für die öffentlichen Schulen.
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Artikel 10

( 1 ) Das Schulwesen des Landes baut sich auf einer für alle Kinder verbindlichen Grundschule auf, die Teil der Volksschule ist. Die Gliederung des Schulwesens wird durch die Mannigfaltigkeit der Lebens- und Berufsaufgaben bestimmt. Für die Aufnahme in eine Schule sind Anlage und Neigung des Kindes maßgebend, nicht die wirtschaftliche Lage und die gesellschaftliche Stellung der Eltern.
( 2 ) Die Erziehungsberechtigten wirken durch Elternvertretungen an der Gestaltung des Schulwesens mit.
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Artikel 11

In allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand und staatsbürgerliche Erziehung verpflichtende Aufgabe.
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Artikel 12

( 1 ) Die Volksschule umfasst die Grundschule als Unterstufe des Schulwesens und die Hauptschule als weiterführende Schule.
( 2 ) Grundschule und Hauptschule müssen entsprechend ihren Bildungszielen nach Organisation und Ausstattung die Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebes erfüllen.
( 3 ) Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten sind, soweit ein geordneter Schulbetrieb gewährleistet ist, Grundschulen einzurichten.
( 4 ) Hauptschulen sind von Amts wegen als Gemeinschaftsschulen zu errichten. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten sind Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen zu errichten, soweit ein geordneter Schulbetrieb bei der beantragten Hauptschule und der Besuch einer Gemeinschaftsschule in zumutbarer Weise gewährleistet sind.
( 5 ) Hauptschulen sind in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, wenn Erziehungsberechtigte, die ein Drittel der Schüler vertreten, dieses beantragen.
( 6 ) In Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen.
In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen.
In Weltanschauungsschulen, zu denen auch die bekenntnisfreien Schulen gehören, werden die Kinder nach den Grundsätzen der betreffenden Weltanschauung unterrichtet und erzogen.
( 7 ) Das Nähere bestimmt ein Gesetz2#.
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Artikel 13

Wegen des religiösen Bekenntnisses darf im Einzelfall keinem Kinde die Aufnahme in eine öffentliche Schule verweigert werden, falls keine entsprechende Schule vorhanden ist.
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Artikel 14

( 1 ) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Für die religiöse Unterweisung bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung3# durch die Kirche oder der Religionsgemeinschaft. Kein Lehrer darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen.
( 2 ) Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen.
( 3 ) Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts haben die Kirchen oder die Religionsgemeinschaften das Recht, nach einem, mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarten Verfahren sich durch Einsichtnahme zu vergewissern, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Lehren und Anforderungen erteilt wird.
( 4 ) Die Befreiung vom Religionsunterricht ist abhängig von einer schriftlichen Willenserklärung der Erziehungsberechtigten oder des religionsmündigen Schülers4#.
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Artikel 15

Die Ausbildung der Lehrer erfolgt in der Regel an wissenschaftlichen Hochschulen. Sie berücksichtigt die Bedürfnisse der Schulen; es ist ein Lehrangebot zu gewährleisten, das diesem Erfordernis gerecht wird. Es ist sicherzustellen, dass die Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts erworben werden kann.
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Artikel 16

( 1 ) Die Universitäten und diejenigen Hochschulen, die ihnen als Stätten der Forschung und der Lehre gleichstehen, haben, unbeschadet der staatlichen Aufsicht, das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und ihrer staatlich anerkannten Satzungen.
( 2 ) Zur Ausbildung ihrer Geistlichen haben die Kirchen und zur Ausbildung ihrer Religionsdiener die Religionsgemeinschaften das Recht, eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zu errichten und zu unterhalten.
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Artikel 17

Die Erwachsenenbildung ist zu fördern. Als Träger von Einrichtungen der Erwachsenenbildung werden neben Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden auch andere Träger, wie die Kirchen und freien Vereinigungen, anerkannt.
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Artikel 18

( 1 ) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.
( 2 ) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände5#.
( 3 ) Sport ist durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.
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Artikel 19

( 1 ) Die Freiheit der Vereinigung zu Kirchen oder Religionsgemeinschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Kirchen oder Religionsgemeinschaften innerhalb des Landes unterliegt keinen Beschränkungen.
( 2 ) Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der politischen Gemeinden zu verleihen oder zu entziehen.
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Artikel 20

Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften haben das Recht, in Erziehungs-, Kranken-, Straf- und ähnlichen öffentlichen Anstalten gottesdienstliche Handlungen vorzunehmen und eine geordnete Seelsorge auszuüben, wobei jeder Zwang fern zu halten ist.
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Artikel 21

Die den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände können nur durch Vereinbarungen abgelöst werden; soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.
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Artikel 22

Im Übrigen gilt für die Ordnung zwischen Land und Kirchen oder Religionsgemeinschaften Artikel 140 des Bonner Grundgesetzes6# für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 als Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht.
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Artikel 23

( 1 ) Die Bestimmungen der Verträge mit der katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union7#, die im früheren Freistaat Preußen Geltung hatten, werden für die Gebiete des Landes Nordrhein-Westfalen, die zum ehemaligen Preußen gehörten, als geltendes Recht anerkannt.
( 2 ) Zur Änderung dieser Kirchenverträge und zum Abschluss neuer Verträge ist außer der Zustimmung der Vertragspartner ein Landesgesetz erforderlich8#.
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VIERTER ABSCHNITT
Arbeit, Wirtschaft, Umwelt

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Artikel 25

( 1 ) Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.
( 2 ) Der 1. Mai als Tag des Bekenntnisses zur Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde ist gesetzlicher Feiertag.
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1 ↑ Nr. 180.
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2 ↑ Siehe Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande NW (Auszug (Nr. 410).
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3 ↑ Siehe Vokationsordnung (Nr. 270) und Ausführungsbestimmungen der EKvW zur Ordnung der Vokation (Nr. 271) sowie § 32 Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande NW (Nr. 410).
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5 ↑ Siehe auch Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG (Nr. 940)).
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6 ↑ Nr. 180.