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Kirchengericht:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer)
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.02.2012
Aktenzeichen:2 M 17/12
Rechtsgrundlage:§§ 19 Abs. 3, 30 Abs. 2, 52 Abs. 2 MVG.EKD; 96 Abs. 4 Satz 4 SGB IX
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Mitarbeitervertretung Mitglieder Schulung, Schulung, Vertrauensperson der Schwerbehinderten
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Leitsatz:

Die stellvertretende Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeitenden hat nur unter den Voraussetzungen des § 96 Abs. 4 Satz 4 SGB IX den Schulungsanspruch nach § 19 Abs. 3 MVG.EKD.

Tenor:

Der Antrag der Mitarbeitervertretung zu Ziffer 1 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Der Verein xxx beschäftigt zurzeit etwa 170 Mitarbeitende. Hiervon sind nach einer von der Dienststellenleitung vorgelegten Aufstellung 8 Mitarbeitende als schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Als Vertrauensperson für die schwerbehinderten Menschen ist Frau AAA gewählt. Sie ist zugleich Mitglied der Mitarbeitervertretung. Ihre Stellvertreterin ist Frau BBB.
In der Dienststelle sollen Regelungen zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeführt werden. Diesbezüglich hat nach der unwidersprochenen Darstellung der Dienststellenleitung im Sommer 2011 ein Informationsgespräch mit einem Vertreter des Integrationsamtes stattgefunden. Das Integrationsamt führt auch - insbesondere für Funktionsträger - eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf die von der Dienststellenleitung vorgelegten Merkblätter wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 21.11.2011 beantragte die Vertrauensperson für sich und ihre Stellvertreterin die Freistellung und Kostenübernahme für ein vom Institut für Fortbildung von Betriebsräten (IFB) veranstaltetes Seminar „Betriebliches Eingliederungsmanagement in der Praxis“. Dieses sollte in der Zeit vom 27.02.2012 bis 02.03.2012 in München stattfinden. Die Seminargebühr für 3 ½ Schulungstage beträgt 1.190,-- bzw. 990,-- Euro. Auf die mit der Antragsschrift eingereichten Unterlagen wird Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung hat mit Schreiben vom 09.12.2011 die Kostenübernahme abgelehnt, weil es wesentlich kostengünstigere gleichwertigere Angebote, z. B. durch die Fortbildungsveranstaltungen des Integrationsamtes des LWL Münster gebe. Die Vertrauensperson beharrte jedoch auf einer Teilnahme am IFB-Seminar in München und beschloss am 14.12.2011 die Schlichtungsstelle anzurufen. Außerdem beantragte sie die Kostenübernahme für anwaltlichen Beistand.
Mit ihrem am 08.02.2012 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Vertrauensperson geltend gemacht, dass die Seminarteilnahme in München für sie und ihre Stellvertreterin erforderlich sei, um den BEM-Prozess in der Dienststelle sachkundig zu begleiten. Die für das Seminar anfallenden Kosten entsprächen dem üblichen Rahmen für Seminare mit vergleichbarem Inhalt und entsprechend qualifizierten Referenten. Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Integrationsamt veranstalteten Fortbildungsmaßnahmen sei nicht gegeben, weil die IFB-Fortbildung deutlich intensiver und inhaltlich umfangreicher sei.
Die antragstellende Vertrauensperson beantragt,
sie und ihre Stellvertreterin für die Teilnahme an dem Fortbildungsseminar „Betriebliches Eingliederungsmanagement in der Praxis“ des Veranstalter IFB in München in der Zeit vom 27.02.2012 bis 02.03.2012 von der Arbeit freizustellen und die Seminar- / Reise- und Unterbringungskosten zu tragen.
Die Dienststellenleitung bittet um Zurückweisung des Antrags. Sie meint, dass eine derart kostspielige Fortbildung für die Antragstellerin nicht als erforderlich angesehen werden könne. Die anfallenden Kosten seien pro Person mit 2.400,-- Euro bzw. 2.300,-- Euro zu veranschlagen. Es könne keine Rede davon sein, dass die vom Integrationsamt angebotenen weitaus kostengünstigeren Fortbildungsveranstaltungen nicht mit dem Seminar des IFB vergleichbar seien. Die Referenten seien Fachleute auf ihrem Gebiet und veranstalteten fortlaufend Seminare zur BEM-Thematik.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den eingereichten Schriftwechsel Bezug genommen.
II.
  1. Das eingeleitete Schlichtungsverfahren ist gem. § 60 Abs. 1 MVG.EKD zulässig. Die Beteiligten streiten über Rechtspositionen aus § 52 Abs. 2 MVG.EKD i.V.m. § 19 Abs. 3 MVG.EKD. Die Anrufungsfrist aus § 61 Abs. 1 MVG.EKD ist gewahrt, da zwischen der Ablehnung der Dienststellenleitung vom 09.12.2011 und dem Eingang der Schlichtungsschrift keine 2 Monate vergangen sind.
    Zweifelhaft kann sein, ob das Schlichtungsverfahren durch einen Antrag durch eine Eilentscheidung eingeleitet werden musste, da nach der Ablehnung der Dienststellenleitung hinreichend Zeit für Einleitung eines ordentlichen Verfahrens gegeben war. Da allerdings bei der üblichen Dauer von Schlichtungsverfahren die Antragstellerseite nicht damit rechnen konnte, dass noch vor Beginn des streitbefangenen Seminars eine Entscheidung der Schlichtungsstelle ergehen konnte, muss ein Eilfall im Sinne von § 61 Abs. 10 MVG.EKD angenommen werden.
  2. Der Antrag betreffend die Teilnahme und Kostenübernahme für das Seminar vom 27.02.2012 bis 02.03.2012 ist nicht begründet.
  1. Für die stellvertretende Vertrauensperson, Frau BBB, ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. § 52 Abs. 1 MVG.EKD nennt nur die Vertrauensperson als diejenige, die die Rechtsstellung von MAVMitgliedern hat, also auch den Schulungsanspruch nach § 19 Abs. 3 MVG.EKD. Für die Stellvertreterin fehlt im MVG eine entsprechende Gleichstellung. § 96 Abs. 4 Satz 4 SGB IX sieht eine Gleichstellung mit MAV-Mitgliedern für die stellvertretende Vertrauensperson nur unter bestimmten engen Voraussetzungen vor, die aber im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch dargetan worden sind.
  2. Aber auch für die Vertrauensperson, Frau AAA, kann die Seminarteilnahme in München nicht als erforderlich im Sinne von § 19 Abs. 3 MVG.EKD angesehen werden. Zwar bestreitet die Dienststellenleitung nicht, dass eine Schulung der Vertrauensperson über den Themenkreis des betrieblichen Eingliederungsmanagement sachlich gerechtfertigt ist. Damit ist aber die Antragstellerin nicht völlig frei in ihrer Entscheidung darüber, für welches der auf dem Markt angebotenen einschlägigen Seminare sie sich anmeldet. Denn die beantragte Dienstbefreiung war gekoppelt mit dem Kostenübernahmeantrag. Zu ersetzen sind aber bei Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen der MAV-Mitglieder und damit auch der Vertrauensperson nur diejenigen Kosten, die erforderlich sind. (§ 30 Abs. 2 MVG.EKD). Die Vertrauensperson hat deshalb bei der Seminarauswahl zu prüfen, ob nicht eine gleichwertige Schulung günstiger zu bekommen ist. Allerdings braucht sich die Vertrauensperson nicht auf kostengünstigere aber qualitativ schlechtere Schulungen verweisen zu lassen (vgl. Küfner/Schmitt in Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 19 RdNr 41). Im vorliegenden Fall gibt es wesentlich kostengünstigere Alternativveranstaltungen des LWL Integrationsamtes. Wieso diese Schulungsveranstaltungen nicht mit der Qualität des von der Antragstellerin gewünschten Seminars vergleichbar sind, kann in keiner Weise nachvollzogen werden, zumal dazu auch nichts Näheres von der Antragstellerin vorgetragen wurde. Aus den von der Dienststellenleitung vorgelegten Merkblättern ergibt sich, dass zum Thema BEM insgesamt 6 Schulungstage angeboten werden im Vergleich zu den 3 ½ Schulungstagen des IFB. Die Teilnahmegebühren hierfür belaufen sich auf ca. 400,-- Euro. Die Fahrtkosten zu den Schulungsorten sind wesentlich geringer. Übernachtungskosten fallen teilweise gar nicht an, weil es sich zum Teil um eintägige Veranstaltungen handelt. Bei dieser Schulungsintensität (6 Tage gegenüber 3,5 Tagen) und den weitaus niedrigeren Kosten des Alternativangebotes war die Vertrauensperson gehalten, sich rechtzeitig um solch ein Alternativangebot zu kümmern. Die Dienststellenleitung ist daher nicht verpflichtet, für die Kosten einer weitaus teureren Seminarteilnahme in München aufzukommen.