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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (nicht rechtskräftig – Abschluss eines Vergleichs vor dem VGH 9/95)
Datum:24.04.1995
Aktenzeichen:VK 7/94
Rechtsgrundlage:PfDG § 59
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Dienstunfähigkeit, Krankheit, Ruhestand
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Leitsatz:

Zur Dienstunfähigkeit wegen Krankheit, zur Bewertung ärztlicher Gutachten und zur Versetzung eines Pfarrers in den Ruhestand.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden.
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Tatbestand:

Der am … 1941 geborene Kläger, der nicht verheiratet ist, wurde nach abgeschlossener Ausbildung und Ordination 1969 von … der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde … am … 1971 zum Pfarrer gewählt. Mit Wirkung vom … 1971 übernahm er dort die 2. Pfarrstelle.
Im Laufe seiner Dienstzeit ist der Kläger mehrfach erkrankt. 1974 bestanden die ersten Zweifel an seiner Dienstfähigkeit. In den Jahren danach gab es wegen seiner Erkrankungen längere Ausfallzeiten, was wiederum zur Einholung von ärztlichen Gutachten und wiederholten Besprechungen führte.
Ende 1993 leitete das Landeskirchenamt das Verfahren gemäß § 59 Abs. 5 ff. des Pfarrerdienstgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 1991, KABl. 1992 S. 266 (PfDG) in Verbindung mit den Bestimmungen des Ausführungsgesetzes zum Pfarrerdienstgesetz der Evangelischen Kirche der Union (AGPfDG) vom 16. November 1984, KABl. 1985 S. 32 mit dem Ziel der Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit von Amts wegen ein. Durch weiteren Beschluss des Landeskirchenamtes vom 3. Mai 1994 wurde der Kläger gemäß § 59 Abs. 5 Satz 2 PfDG für die Dauer des Zurrruhesetzungsverfahrens mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften beurlaubt. Die sofortige Vollziehung der Beurlaubung wurde angeordnet. Durch Bescheid des Landeskirchenamtes vom 24. Mai 1994 wurde dem Kläger der Beschluss der Kirchenleitung vom 19. Mai 1994 mitgeteilt, wonach er nach § 59 Abs. 1, 5, 8 PfDG in den Ruhestand versetzt werde. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass die das Ruhegehalt des Klägers übersteigenden Dienstbezüge mit Wirkung vom 15. Juni 1994 nach § 59 Abs. 9 Satz 2 PfDG einbehalten werden.
Nach Zurückweisung der gegen die getroffenen Entscheidungen eingelegten Widersprüche des Klägers durch die Kirchenleitung der Beklagten mit Beschluss vom 24. August 1994 hat der Kläger am 8. September 1994 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er unter Vorlage des schon im Widerspruchsverfahren eingereichten fachärztlichen Gutachtens des Dr. H. vom 31. Januar 1994 im Wesentlichen ausgeführt, er bleibe bei seiner Auffassung, dass er sehr wohl dienstfähig sei und insbesondere keine medizinischen Gründe gegeben seien, die seine Dienstunfähigkeit begründen würden.
Der Kläger beantragt,
die Beschlüsse der Kirchenleitung der Beklagten vom 3. und 19. Mai 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Kirchenleitung vom 24. August 1994 aufzuheben.
Die Beklagte, die den Ausführungen des Klägers entgegentritt und auf die Gründe ihrer Entscheidungen verweist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Personalakten und Verwaltungsunterlagen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die von dem Kläger erhobene Klage ist nach § 59 Abs. 8 S. 3 PfDG und § 2 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974 S. 194, geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983, KABl. 1983 S. 214 (VwGG), zulässig.
Dabei ist insoweit auch festzuhalten, dass eine zeitliche Verzögerung durch eine angeblich verspätete Zuleitung von Schriftstücken durch das Gericht nicht vorliegt, wie der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 18. Januar 1995 beanstandet hat. Zum einen konnte von einem zunächst für den Kläger tätigen Fachanwalt erwartet werden, dass er auch ohne erbetenen Hinweis durch das Gericht von sich aus wissen konnte, wie die ihm wörtlich mitgeteilte Vorschrift des § 15 VwGG anzuwenden war. Zum anderen wird hinsichtlich der weiteren Rüge des jetzigen Prozessbevollmächtigten insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 24. April 1995 verwiesen.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
  1. Die für die angefochtene Entscheidung der Beklagten maßgebende Rechtsvorschrift ist § 59 Abs. 1 PfDG. Danach kann ein Pfarrer, unabhängig von seinem Lebensalter, von Amts wegen in den Ruhestand versetzt werden, „wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Pfarrstelle dauernd nicht mehr ordnungsgemäß verwalten kann“. Diese Vorschrift wird ergänzt durch § 59 Abs. 2 PfDG. Sie lautet:
    „Als dauernd dienstunfähig kann der Pfarrer auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine sichere Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig sein wird.“
    Daraus ergibt sich, dass – entsprechend der im öffentlichen Dienst für Beamte entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze für in den wesentlichen Kriterien gleiche Regelungen –
    vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Juni 1965 – VI C 176.61 – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 21,240 = Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 1965, 346; Oberverwaltungsgericht Münster (OVG NW), Urteil vom 24. März 1976 – VI A 1508/74 –, mit weiteren Nachweisen,
    bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit nicht allein auf die Person des Pfarrers abzustellen ist, sondern vielmehr die Auswirkungen der körperlichen Gebrechen oder der Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte des Pfarrers auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der körperlichen Gebrechen oder der Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte auf den Dienstbereich entscheidend sind. Dabei deckt sich das Tatbestandsmerkmal der Schwäche der geistigen Kräfte, die sich in aller Regel nur unter Inanspruchnahme eines medizinischen Sachverständigen feststellen lässt, nicht mit Geisteskrankheit im engeren Sinne. Vielmehr ist unter Schwäche der geistigen Kräfte jede psychische Erkrankung oder Fehlveranlagung zu verstehen, infolge deren ein Pfarrer nicht mehr in der Lage ist, seine Dienstpflichten zu erkennen oder seiner Einsicht gemäß zu handeln. Insbesondere liegt eine Schwäche der geistigen Kräfte vor, wenn die Fähigkeit des Pfarrers zur Erfüllung seiner Dienstpflichten durch Mängel an Einsicht in besonderen Fällen oder durch Mangel an Überlegung der Folgen seiner Handlungen, durch Gemütsverstimmungen oder sonstige seelische Zustände gemindert ist oder wenn er wegen seiner geistig-seelischen Konstitution nicht mehr imstande ist, zwecks ungestörter Funktionsausübung der Verwaltung in seiner Pfarrstelle seine Pflicht zu harmonischer Zusammenarbeit mit den haupt- und ehrenamtlichen Gliedern seiner Gemeinde zu erfüllen.
  2. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausgangslage sind sowohl das Landeskirchenamt als auch die Kirchenleitung als die für die Beklagte handelnden Organe unter Verwertung des von dem medizinischen Sachverständigen Dr. med. P., Chefarzt der Psychiatrischen Klinik der …, abgegebenen Gutachten mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 PfDG vorliegen. In seinem 18 Seiten umfassenden Gutachten vom November 1993, das auf seiner vertrauensärztlichen Untersuchung des Klägers am 20. Oktober 1993 beruht, kommt Dr. P. auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. aus … zu folgendem abschließenden Ergebnis:
    „1.
    Die gesundheitliche Situation von Herrn Pfarrer … hat sich gegenüber dem Vorgutachten von 1990 erheblich verändert.
    Er wirkt jetzt wie ein alter Mann, belastungsunfähig, energielos, initiativlos und seiner eigenen Situation gegenüber unrealistisch und unkritisch.
    2.
    Herr Pfarrer … ist nach meiner Einschätzung zur selbstständigen Führung seines Gemeindepfarramtes nicht mehr in der Lage.
    3.
    Sollte das Gutachten von Herrn Dr. H. erheblich von meiner Beurteilung abweichen, so bitte ich um eine erneute ambulante Untersuchung. Bei der Gelegenheit werde ich meine diagnostische Einschätzung durch eine Reihe testpsychiologischer Verfahren erhärten.
    Ich halte dies im Grunde nicht für notwendig, aber möglicherweise bei unterschiedlicher Einschätzung im Rahmen der Begutachtung letzten Endes zur Objektivierung für erforderlich.“
    Abschließend bemerkt Dr. P. noch, dass er nicht zu beurteilen vermag, ob es denkbar sei, dem Kläger eine nicht belastende Tätigkeit (z.B. Archiv o.Ä.) anzubieten. Nach Einschätzung von Dr. P. kann der Kläger eine selbstständige und eigenverantwortliche Aufgabe nicht mehr übernehmen. In seinem früheren, nach einer ebenfalls von ihm durchgeführten Untersuchung, hatte Dr. P. noch in seiner abschließenden Feststellung in dem über 22 Seiten umfassenden Gutachten vom 13. März 1990 erklärt, dass bei dem Kläger eine „Dienstunfähigkeit im engeren Sinne“ nicht bestehe.
  3. Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers bestand für die Verwaltungskammer auch keine Veranlassung, ein weiteres medizinisches Gutachten durch einen anderen Sachverständigen einzuholen. Zwar kommt Dr. H., bei dem sich der Kläger ab dem 5. Juni 1990 in ständiger ambulanter Behandlung befindet, zur nachstehenden zusammenfassenden Beurteilung:
    „Auf Grund der bisherigen Erfahrungen während der letzten 3 Jahre und in Kenntnis seines jetzigen Gesundheitszustandes wie oben beschrieben halte ich Herrn … als Pfarrer weiterhin für dienstfähig.“
    Zum Einen ist nach allgemein geltender Rechtsauffassung ein ärztliches „Obergutachten“ nur geboten, wenn „eine besonders schwierige medizinische Frage zu beurteilen ist, die das Gericht anhand der bereits erstatteten, sich widersprechenden Gutachten nicht selbst klären kann“.
    VgI. Eyermann/Fröhler, Kommentar zur VwGO, 9. AufI., RdNr. 19 zu § 86 VwGO, mit weiteren Nachweisen.
    Zum Anderen kommt hier noch hinzu, dass der Kläger seiner dienstlichen Verpflichtung, sich einer weiteren, schon angeordneten vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen ist. Unter diesen Umständen ist die Beklagte berechtigt gewesen, von Dr. P. anhand der Aktenlage eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme einzuholen. Darin kommt Dr. P. nach einer kurzen Darstellung bisheriger Behandlungen und Erkrankungen des Klägers zu folgender „Zusammenfassung“:
    „Seit 1967 befindet sich Herr Pfarrer … wegen vielfältiger psychiatrischer Symptome, die in ihrer Ausprägung und Intensität wechselnd waren, in psychiatrischer und psychotherapeutischer stationärer und ambulanter Behandlung.
    Wegen der wechselnden Symptomatik und unterschiedlicher Intensität in der Ausprägung der Symptome war die diagnostische Einschätzung zeitweilig unterschiedlich. Insgesamt ist jedoch nicht daran zu zweifeln, dass eine wechselnde ängstlich-depressive, zwanghafte, wiederholt dysphorische und zeitweilig mit erheblichem Antriebs- und Energieverlust einhergehende Erkrankung vorliegt, die im Rahmen der wiederholten psychoanalytischen Behandlung als schwere ängstlich-depressive, zwanghafte, neurotische Fehlentwicklung (wiederholte psychotherapeutische stationäre Behandlung und weit über 1.000 Psychoanalyse-Stunden) bezeichnet werden muss.
    Gleichzeitig wurde wiederholt eine endogen-depressive Erkrankung diagnostiziert und behandelt; zurzeit bei Herrn Dr. H.
    Zusätzlich waren die Zeichen ausgeprägter Kontaktschwäche und Isolation als psychasthenisches Syndrom gewertet worden.
    Anlässlich meiner Untersuchung am 20. Oktober 1993 handelte es sich nach meiner Einschätzung nicht um akute Zeichen einer vorübergehenden depressiven Erkrankung, sondern eher um ein ausgeprägtes Erschöpfungs- und Insuffizienz-Syndrom im Anschluss an die jahrelangen, jahrzehntelangen Leiden im Rahmen der psychiatrischen Erkrankung und einer damit verbundenen andauernden Überforderungssituation in der Tätigkeit als Gemeindepfarrer.
    Von daher ist es mir nach meiner Kenntnis der langen Vorgeschichte von Herrn Pfarrer … nicht vorstellbar, dass am 28. Dezember 1993 keinerlei Zeichen einer psychiatrischen Erkrankung vorlagen.
    Da ich bereits in meinem Telefonat mit Herrn Dr. H. vermutete, dass dieser zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen würde, hatte ich ergänzende testpsychologische Untersuchungen vorgeschlagen, um meine diagonistische Einschätzung weiter zu objektivieren. Ich halte dieses Angebot weiterhin aufrecht, weil ich davon ausgehe, dass sich damit meine diagnostische Einschätzung und meine Bewertung der Gesamtsituation erhärten würde.
    Sollte Herr Pfarrer … dies auch in Zukunft ablehnen, so meine ich allerdings, dass meine jetzige Einschätzung der Gesamtsituation nicht durch die gutachterliche Stellungnahme von Herrn Dr. H. erschüttert wird.
    Mit einer reinen depressiven Erkrankung und zeitweilig manischen Nachschwankungen lässt sich das Krankheitsbild von Herrn Pfarrer … (so wie dies Herr Dr. H. sieht) nicht ausreichend bewerten.“
    Diese Stellungnahme ist im Zusammenhang mit den bisherigen Gutachten von Dr. P. überzeugend, enthält keine Mängel und lässt insbesondere keine Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen und seiner Unparteilichkeit erkennen.
  4. Die Einholung eines so genannten neutralen Sachverständigengutachtens, wie es der Prozessbevollmächtigte des Klägers in Verkennung der rechtlichen Problematik in seiner Klagebegründung auf der Grundlage des von ihm erneut beigefügten nervenärztlichen Gutachtens des Dr. H. vom 31. Januar 1994 besonders begehrt, ist nach Auffassung der Verwaltungskammer auch aus einer anderen Erwägung nicht geboten. Dr. H. ist in seinem Gutachten ohne Rückfrage und Klärung der weiteren Frage, welche dienstlichen Anforderungen an einen Pfarrer im Gemeindedienst zu stellen sind, zu der über seinen medizinischen Fachbereich hinausgehenden, allgemeinen Aussage gelangt, dass der Kläger weiterhin als Pfarrer dienstfähig sei. Im Gegensatz zu ihm hat sich der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. P. während der Untersuchung des Klägers am 20. Oktober 1993 vor Abgabe seiner abschließenden Stellungnahme durch ein Telefongespräch mit dem Superintendenten … vom Kirchenkreis …, wie sich aus Seite 10 und Seite 11 des schriftlichen Gutachtens vom November 1993 im Einzelnen ergibt, darüber kundig gemacht. Die Frage, ob ein Pfarrer aufgrund seines Gesundheitszustandes seine Pfarrstelle nicht mehr ordnungsgemäß verwalten kann, lässt sich nicht allein nach medizinischen Kriterien bewerten. Vielmehr ist dabei auch sein Verhalten in der Gemeinde zu berücksichtigen. Dabei kommt dem Umstand, wie er seine Verpflichtung zu harmonischer Zusammenarbeit nach den Regeln der Kirchenordnung der Beklagten mit den Presbytern und den übrigen Gliedern seiner Gemeinde zu erfüllen versucht, eine erhebliche Bedeutung zu. Der Gesundheitszustand eines Pfarrers und die Erledigung der Aufgaben durch ihn lassen sich nicht voneinander trennen und losgelöst nur für ihre Bereiche darstellen. Der Schwierigkeit, wie diese Probleme in ihrer Gesamtheit zu gewichten sind, hat der kirchliche Gesetzgeber mit der in § 59 Abs. 2 PfDG getroffenen Vorschrift Rechnung getragen. Mit der zeitlichen Begrenzung wurde ein nach objektiven Kriterien messbarer Tatbestand geschaffen, nach dem ein Pfarrer als dauernd dienstunfähig angesehen werden kann. Und dieser Tatbestand hat, wie die Personalakten des Klägers ausweisen, bei ihm schon wiederholt vorgelegen. Ohne nun auf die schon vor seiner Berufung als Pfarrer in … am … 1971 bestandenen gesundheitlichen Probleme des Klägers einzugehen, hat der damalige Superintendent … in seinem Schreiben vom … 1974 an das Landeskirchenamt u.a. geschrieben:
    „Herr Pfarrer … ist zurzeit wieder erkrankt … .
    In jedem Jahr mindestens 3 Monate musste Pastor … nach unseren Erfahrungen seinen Dienst krankheitshalber unterbrechen und sich in eine Klinikbehandlung mit anschließendem Erholungsurlaub begeben. Da der Gesundheitszustand sich kaum zu bessern scheint, im Gegenteil sich offenbar noch verschlechtert, stellt sich dem Presbyterium und auch dem Kreissynodalvorstand die Frage, wie es mit der geordneten pfarramtlichen Versorgung der Kirchengemeinde … weitergehen kann …“.
    Auch in den Jahren danach gab es längere Ausfälle des Klägers. Schon 1976 wurde die Frage einer vorzeitigen Zurruhesetzung des Klägers erörtert. In der Zeit vom 23. April bis zum 2. Oktober 1974 und vom 30. September 1975 bis zum 2. März 1976 befand sich der Kläger in psychotherapeutischer Behandlung stationär in einer Klinik in … . In seinem auf Veranlassung des Landeskirchenamtes erfolgten fachärztlichen Gutachten kommt der ärztliche Leiter der psychosomatischen Abteilung der Krankenanstalten … Dr. med. B. zu folgendem Ergebnis:
    „Die Befunderhebung erbrachte somit zur Frage der Dienstfähigkeit, dass gegenwärtig wegen der Störungen, die eine psychoanalytische Behandlung erforderlich gemacht hatten, keine Dienstunfähigkeit besteht und für die Zukunft aufgrund der Intensität und des Erfolges der Behandlung mit hoher
    Wahrscheinlichkeit weiterhin mit Dienstfähigkeit gerechnet werden kann. Angesichts der Tatsache, dass bereits ca. 1.000 psychoanalytische Sitzungen stattgefunden haben, sollte, wie vom Analytiker selbst vorgeschlagen wurde, im März d.J. die Therapie zum Abschluss gebracht werden. Denn wegen der bereits erreichten guten Besserung des psychophysischen Gesamtbefindens besteht keine Indikation zur Fortführung der Psychoanalyse über März d.J. hinaus.“
    In der Zeit vom 27. Juli bis 25. November 1986 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Uni-Nervenklinik … . Die Dauer der Abwesenheit des Klägers und die Ungewissheit darüber, ob und wann er seinen Dienst wieder aufnehmen werde, waren die maßgebenden Gründe dafür, dass sich die Mitglieder des Presbyteriums an das Landeskirchenamt gewandt haben. Welche Einzelverstöße es im Einzelnen gegeben hat, macht der in der mündlichen Verhandlung vorgelesene Bericht des Superintendenten des Kirchenkreises … vom 31. März 1993 an das Landeskirchenamt hinreichend deutlich. Seine Bewertung, dass der Kläger seinen dienstlichen Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen könne und deshalb das Landeskirchenamt den Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzen wolle, wird nicht nur einstimmig von den Mitgliedern des Kreissynodalvorstandes, sondern auch mit großer Mehrheit von dem Presbyterium der Kirchengemeinde … geteilt. Gerade die Presbyter sind aufgrund der steten Zusammenarbeit mit ihrem Pfarrer in aller Regel, ohne dass es dazu großer Erhebungen und der Anhörung von Sachverständigen bedarf, in der Lage zu beurteilen, ob ein Pfarrer noch zu einer ordnungsmäßigen Erledigung seiner dienstlichen Obliegenheiten in der Lage ist. Ihrem Votum kommt daher ein erheblich größeres Gewicht als dem derjenigen zu, die die Eingaben der Frau L. vom 8. Mai 1993 und Frau S. im Juni 1993 unterschrieben haben. Nach dem Bericht des Superintendenten vom 25. Juni 1993 habe ihm die Kirchmeisterin gesagt, dass der überwiegende Teil derer, die unterschrieben haben, selten oder nie im Gottesdienst zu finden sei. Dass der Kläger nicht gesund ist, beweist auch seine Angabe in der mündlichen Verhandlung am 24. April 1995. Danach steht er noch immer in fachärztlicher Behandlung bei Dr. H., obwohl er seit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Maßnahmen den täglichen Aufgaben seines Pfarrdienstes nicht mehr nachzukommen braucht.
  5. Schließlich konnte sich die Verwaltungskammer auch selbst einen persönlichen Eindruck von dem Kläger machen, weil er vorzeitig von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt und in der mündlichen Verhandlung erschienen war. Zwar ist das Bestreben des Klägers anzuerkennen, dass er, wie er meint, wieder Verantwortung tragen möchte. Jedoch zeigt er keine Einsicht und hat kein Verständnis für diejenigen, die ihn dahingehend beurteilen, dass er den einem Pfarrer obliegenden Aufgaben nicht mehr gewachsen sei und deshalb vorzeitig in den Ruhestand treten müsse. Dadurch, dass ihm von Dr. H. ein neues Mittel verordnet worden sei, habe er nicht nur eine größere Ausgeglichenheit, sondern auch einen stabileren Zustand in seinem Allgemeinbefinden erreicht. Wenn der Kläger auch noch zu dem in regelmäßigen Abständen tagenden Gesprächskreis von ca. 16 bis 25 kirchlich engagierten Personen im Alter von 36 bis 60 Jahren eingeladen werde und daran auch noch gelegentlich teilnehme, so ist doch wenig verständlich, dass er als älterer Pfarrer im Interesse seiner bisherigen Gemeinde und zum Wohle ihrer Glieder überhaupt noch keinen Kontakt zu dem von der Beklagten eingesetzten und seit Ende letzten Jahres tätigen Pastor im Hilfsdienst aufgenommen hat, der seine Aufgaben in der Gemeinde versieht. Dies macht ebenfalls deutlich, wie isoliert der Kläger in der Gemeinde lebt und wie stark er gehemmt ist, sich um die Belange seiner bisherigen Gemeindemitglieder zu kümmern.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 31 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gebühren und Auslagen werden für das vorliegende Verfahren nach § 29 Abs. 1 VwGG nicht erhoben.