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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:11.07.1994
Aktenzeichen:VK 4/94
Rechtsgrundlage:VwGG § 31
VwGG § 80 Abs. 5 und 8
KO Art. 41 und 69
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Presbyterium, Verhalten (pflichtwidriges), Entlassung, Einstweilige Anordnung
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Leitsatz:

Zur aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde eines wegen grober Pflichtverletzung entlassenen Presbyters aus dem Presbyterium.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gebühren und Auslagen erhoben werden, werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit dem am 18. April 1994 eingegangenen Schriftsatz vom 15. April 1994 beantragt der Antragsteller, der zum Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde … gewählt worden ist, sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner „Beschwerde“ (Klage) vom 30. März 1994 – eingegangen am 5. April 1994 – gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 22. März 1994, durch den er aus dem Amt des Presbyteramtes der Evangelischen Kirchengemeinde W. wegen grober Pflichtverletzung entlassen worden ist, anzuordnen.
Zur Begründung seines Begehrens führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entlassungsbeschlusses weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Er verweise nicht nur auf seine nachträglich eingereichte eidesstattliche Versicherung, sondern stütze sein Begehren noch auf die von dem Presbyter P. (ohne Datum) abgegebene eidesstattliche Versicherung, die sein Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 15. Juni 1994 eingereicht habe.
Der Antragsgegner verbleibt bei den von ihm getroffenen Entscheidungen in den Beschlüssen vom 7. Juli 1993 und 22. März 1994 und verweist auf die dort angeführten Gründe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 15. April 1994, die eidesstattlichen Versicherungen des Antragsstellers und des Presbyters P. und die Gründe der von dem Antragsgegner erlassenen Beschlüsse vom 7. Juli 1993 über die Erteilung eines Verweises gegen den Antragsteller und vom 22. März 1994 über die Entlassung des Antragstellers aus dem Amt des Presbyters der Evangelischen Kirchengemeinde … Bezug genommen.

II.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, sachlich aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 und 8 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 31 S. 1 des Kirchengesetzes (KG) über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen (VwGG) vom 18. Oktober 1974 (KABl. 1974 S. 194), geändert durch KG vom 11. November 1983 (KABl. 1983 S. 214), kann der Vorsitzende der Verwaltungskammer mit Rücksicht darauf, dass nach dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers und nun auch noch wegen der inzwischen begonnenen Schulferien ein dringender Fall vorliegt, auf den Antrag des Antragstellers die aufschiebende Wirkung seiner „Beschwerde“ (Klage) gegen den von dem Antragsgegner beschlossenen Entlassungsbescheid vom 22. März 1994 ganz oder zum Teil anordnen. Dabei hat er aber ebenso wie die Verwaltungskammer als unabhängiges Kirchengericht grundsätzlich nur das kirchliche Interesse an der Vollziehung des vom Antragsgegner erlassenen Verwaltungsaktes und das private Interesse des betroffenen Antragstellers an dem Aufschub der Maßnahme gegeneinander abzuwägen. Einer solchen Interessenabwägung bedarf es aber dann nicht, wenn sich bei überschlägiger Prüfung entweder die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergibt oder sich die Rechtsverteidigung gegen ihn als offensichtlich aussichtslos darstellt. Denn an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Entscheidungen besteht stets, an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Entscheidungen niemals ein überwiegendes kirchliches Interesse. Dabei kann weiter entsprechend dem Charakter des Aussetzungsverfahrens als eines Eilverfahrens die Prüfung notwendigerweise nur eine Summarische sein, in der kein Raum ist für die erschöpfende Klärung schwieriger Rechtsfragen und Beweiserhebungen, von denen die abschließende Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit eines streitigen Verwaltungsaktes abhängt.
Im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers lässt sich aufgrund der lediglich summarischen Überprüfung schon eine offensichtliche Rechtmäßigkeit des streitigen Entlassungsbescheides feststellen.
Maßgebend für diese Entscheidung sind dafür allein das eigene Vorbringen des Antragstellers zur Begründung seines Antrages, seine Einlassungen in seiner mit Schriftsatz vom 5. Mai 1994 überreichten eidesstattlichen Versicherung und die Ausführungen des Presbyters P. in dessen eidesstattlichen Versicherung.
Die von dem Antragsteller vorgetragene Erklärung, dass die in den Beschluss des Antragsgegners vom 22. März 1994 „aufgeführten Zitate teilweise unrichtig, teilweise aus dem Zusammenhang herausgegriffen sind und somit einen objektiven Sachverhalt nicht wiedergeben“, genügt nicht den an einer ordnungsmäßigen Begründung zu stellenden notwendigen Anforderungen. Obwohl der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten auf die insoweit bestehenden Bedenken durch gerichtliches Schreiben vom 26. April 1994 hingewiesen worden war, hat er seine Begründung in der mit Schriftsatz vom 5. Mai 1994 eingereichten eidesstattlichen Versicherung in den wesentlichen Punkten lediglich wiederholt. Auf die in dem angefochtenen Beschluss des Antragsgegners vom 22. März 1994 konkret genannten Verstöße belässt es der Antragsteller in seiner Stellungnahme wiederum bei seiner allgemein gehaltenen Äußerung. Mit seiner Erklärung, dass die im Beschluss des Antragsgegners aufgeführten Zitate teilweise unrichtig seien, räumt er somit selbst ein, dass einige der ihm vorgeworfenen Verstöße der Wahrheit entsprechen. Diese Folgerung wird im Übrigen auch durch die eidesstattliche Versicherung des Presbyters P. bestätigt. Wenn dieser aber zur Rechtfertigung für das Verhalten des Antragstellers anführt, dass der Antragsteller alle diese Zitate gesagt habe, nachdem er zuvor angegriffen worden sei, „und zwar in etwa auf dem gleichen Niveau und in ähnlicher Form“, ist dieser Einwand für das vorliegende Verfahren unbeachtlich. Sofern die Darstellung des Presbyters P. richtig ist, könnte der zur Entschuldigung vorgetragene Gesichtspunkt lediglich dazu führen, das Verhalten des Antragstellers milder beurteilen zu können. Entscheidend bleibt für das vorliegende Verfahren aber, dass der Antragsteller der an ihn zu stellenden Prozessförderungspflicht trotz nochmaliger Belehrung in unzulänglicher Weise nachgekommen ist. Wie gering die Bereitschaft des Antragstellers zu einer vernünftigen Zusammenarbeit ist, machen nicht nur die Darstellungen des Presbyters P. mit den Angaben über „Wortgefechte“ und Diskussionen, die „teilweise sehr heftig und kontrovers geführt“ wurden, sondern auch die nicht bestrittenen und somit zugestandenen Feststellungen in den Beschlüssen des Antragsgegners vom 7. Juli 1993 und 22. März 1994 hinreichend deutlich, dass der Antragsteller den vom Antragsgegner nach Art. 41 Abs. 1 S. 2 der Kirchenordnung (KO) angesetzten Anhörungen in unentschuldigter Weise ferngeblieben ist.
Auch ist die von dem Antragsteller in den Vordergrund der Begründung seines Antrages hervorgehobene Beanstandung des Art. 69 Abs. 1 KO nicht geeignet, sein Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner „Beschwerde“ (Klage) zu stützen. Diese Vorschrift mit ihrem Wortlaut,
„das Presbyterium soll danach streben, seine Beschlüsse einmütig zu fassen“,
bedeutet schon bei verständiger Würdigung nicht, dass Beschlüsse einstimmig zu erfolgen hätten. Wäre dies beabsichtigt gewesen, so wäre es auch in dieser Weise zum Ausdruck gebracht worden. Vielmehr wird mit dem Wort „einmütig“ gesagt, dass die Beschlüsse „einträchtig“ oder noch besser „einverträglich“ zu treffen seien. Aber selbst wenn man der Ansicht des Antragstellers ist, dass mit der einmütigen Beschlussfassung „einstimmig“ gemeint und damit „eklatant gegen die Grundsätze demokratischen Verhaltens“ – so sein Prozessbevollmächtigter – verstoßen worden sei, so ist die von ihm daraus gezogene Schlussfolgerung nicht zwingend. Ob eine so verstandene Regelung des Art. 69 Abs. 1 der KO noch zeitgemäß ist, kann hier auf sich beruhen. Jedenfalls hat diese Bestimmung, die nicht isoliert gesehen werden darf, noch ihre Bedeutung, wenn sie im Zusammenhang mit der in Abs. 2 des Art. 69 der KO getroffenen Regelung gleichrangig beurteilt wird. Dort heißt es nämlich:
„(2) Bei der Abstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Stimmenthaltungen werden hierbei nicht mitgerechnet. Bei Stimmengleichheit ist ein Beschluss nicht zustande gekommen.“
Daraus folgt, dass das Mehrheitsprinzip ebenfalls im kirchlichen Bereich gilt. Zwar ist der Ansicht des Antragstellers zuzustimmen, dass der Gedanke der Mehrheitsmeinung eine Grundforderung der Demokratie sei. Dies beruht auf dem geltenden Verfassungsprinzip, dass Demokratie „Herrschaft der Mehrheit“ ist. Allerdings ergibt sich daraus nicht, dass einheitliche oder einstimmige oder einmütige Beschlüsse nicht mehr als Mehrheitsmeinungen angesehen werden könnten. Sie setzen nicht zwingend voraus, dass bei einer Mehrheitsmeinung stets die abweichende Meinung einer Minderheit erforderlich ist. Gerade im kirchlichen Bereich sollten einheitliche oder einstimmige oder einmütige Beschlüsse, ohne dass es dazu noch näherer Darlegungen bedarf, eher als in Gremien möglich sein, die sich aus Gruppen und Parteien mit in Grundfragen sehr divergierenden Einstellungen zusammensetzen. Im Übrigen kann die Aufforderung, Beschlüsse „einmütig zu fassen“, bei wohlwollender Würdigung seines Inhalts auch dahingehend verstanden werden, dass Minderheitsmeinungen, die nicht von vornherein unrichtig sein müssen, stärker durchdacht und auch noch berücksichtigt werden können. Vielfach stellt sich nämlich erst später heraus, was in diesem oder jenem Fall die beste Lösung gewesen wäre.
Aus alledem folgt mit Rücksicht auf die Schwere, die Dauer und die Vielzahl der dem Antragsteller zur Last gelegten Verstöße, dass seine Rechtsverteidigung gegen den vom Antragsgegner ausgesprochenen Entlassungsbeschluss nach überschlägiger Prüfung offensichtlich aussichtslos ist. Ob diese Auffassung im Endergebnis allerdings zutrifft, wird erst nach der noch durchzuführenden mündlichen Verhandlung vor der Verwaltungskammer in den beiden Verfahren der Hauptsachen – VK 5/1993 und VK 6/1993 –, zu der der Antragsteller dann persönlich zu erscheinen hat, entschieden werden.
Die Kostenentscheidung des vorliegenden Verfahrens beruht auf §§ 29 Abs. 1 und 31 S. 1 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 31 VwGG i.V.m. § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Für Verfahren nach § 80 VwGO ist die Hälfte des Wertes angemessen, der im Verfahren zur Hauptsache festgesetzt wird. Da andere Ansatzpunkte fehlen, ist dies auch hier der sog. Auffangwert von 6.000,- DM.
Gegen diesen Beschluss ist nach § 80 Abs. 8 VwGO in der Fassung des Art. 9 Abs. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993, BGBl. I S. 50, ein Rechtsmittel nicht mehr gegeben.