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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (nicht rechtskräftig – siehe Urteil des VGH 25/78)
Datum:10.04.1978
Aktenzeichen:VK 4/1977
Rechtsgrundlage:§§ 2, 10 Abs. 3 KiVwGO
Art. 156 KO
§ 53 Abs. 2 PfDG
§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Rehabilitierung, Feststellungsinteresse
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Die zweitinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VGH 25/78 aufrufen.
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Leitsatz:

Die Voraussetzungen eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gelten auch in einem kirchgerichtlichen Streitverfahren. Für das notwendige berechtigte Interesse ist die Absicht, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, nicht ausreichend. Eine mögliche Wiederholungsgefahr als berechtigtes Interesse in einem Abberufungsverfahren ist regelmäßig auszuschließen. Ein im staatlichen Bereich anerkanntes Rehabilitierungsinteresse dürfte für das kirchliche Stellenbesetzungsverfahren keine Relevanz haben, da nach dem kirchlichen Recht Einsprüche gegen eine Stellenbesetzung nicht zulässig sind.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
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Tatbestand:

Gegen den am … 1930 geborenen Antragsteller erließ die Antragsgegnerin den Abberufungsbeschluss vom 25. August 1977, der ihm mit Rechtsmittelbelehrung am 1. September 1977 zugestellt worden ist. Mit Schreiben vom 27. September 1977 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass er gegen diesen Beschluss keinen Widerspruch einlege. Die Antragsgegnerin (Landeskirchenamt) hob mit Rücksicht auf eine mit dem Antragsteller am selben Tage stattgefundene Unterredung die am 23. Juni 1977 ausgesprochene einstweilige Anordnung seiner Beurlaubung mit sofortiger Wirkung auf und übertrug ihm im Wege der einstweiligen Anordnung mit Wirkung vom 1. Oktober 1977 eine pfarramtliche Tätigkeit im Bereich der Evangelischen Kirchengemeinde B., Kirchenkreis G..
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1977 rief der Antragsteller die Verwaltungskammer an. Gleichzeitig legte er noch gegen den Abberufungsbeschluss Widerspruch ein. In einer Verfügung vom 31. Oktober 1977 wurden die Beteiligten auf die dadurch entstandene Rechtslage hingewiesen.
Die Antragsgegnerin hat am 18./19. Januar 1978 beschlossen:
„Es wird festgestellt, dass Pfarrer E. nicht durch unzulässige behördliche Beeinflussung im Gespräch am 15. September 1977 zum Verzicht auf seine Rechte im Abberufungsverfahren veranlasst worden ist.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Der Widerspruch gegen den Abberufungsbescheid der Kirchenleitung wird als unzulässig zurückgewiesen.“
Nachdem der Antragsteller am 5. März 1978 als Pfarrer bei der …-Kirchengemeinde H. eingeführt worden ist, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10. März 1978 die Hauptsache des Verfahrens für erledigt erklärt. Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. März 1978 ausdrücklich erklärt, dass er das Abberufungsverfahren für nicht erledigt halte. Eine Erklärung des Inhalts, wie sie auf Seite 8 letzter Absatz des Abberufungsbeschlusses vom 25. August 1977 enthalten sei, habe er nicht abgegeben. Dort heiße es, dass für seine Abberufung allein seine Erklärung maßgeblich gewesen sei, er habe Beratungen des Presbyteriums ohne Wissen seiner Mitglieder auf Tonband aufgenommen, verbunden mit dem unausgesprochenen Hinweis, auf diese Weise die Entscheidungen im Presbyterium herbeizuführen, die nach seiner Überzeugung notwendig und richtig seien. Eine solche Erklärung habe er nicht abgegeben, wie die von ihm benannten Zeugen bekunden könnten. Vielmehr habe er lediglich im Konjunktiv gesprochen, und zwar „was wäre, wenn …“. Auch sei er freiwillig „aus L. fortgegangen. In der mündlichen Verhandlung führt der Antragsteller ergänzend aus: für sein Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 seien die notwendigen Voraussetzungen gegeben. Durch die Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes seien ihm Unkosten und somit ein Schaden entstanden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich das Ganze wiederholen könne.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses vom 25. August 1977 festzustellen.
Die Antragsgegnerin, die die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Verfahrens nicht für gegeben ansieht, beantragt,
den Antrag abzuweisen oder als unzulässig abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der von der Antragsgegnerin überreichten Personalakten (2 Hefte) verwiesen.
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Entscheidungsgründe:

Der in der mündlichen Verhandlung nach § 11 Abs. 1 S. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 31 der kirchlichen Verwaltungsgerichtsordnung (KiVwGO) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 gestellte Antrag ist unzulässig.
Mit der Einführung des Antragstellers als Pfarrer der …-Kirchengemeinde H. hat sich die Hauptsache seines ursprünglichen Begehrens erledigt. Die Aufhebung des Abberufungsbeschlusses wäre ohne rechtliche Folgen geblieben, weil er die im Zeitpunkt der Abberufung bekleidete Pfarrstelle in L. inzwischen aus anderen, hier insoweit nicht interessierenden Gründen aufgegeben und somit im Sinne des § 52 des Pfarrerdienstgesetzes (PfDG) verloren hat. In einem solchen Falle muss sich ein Antragsteller, wenn er die Abweisung seines ursprünglichen Begehrens schon wegen dieses Umstandes als unzulässig vermeiden will, entweder den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären oder zur so genannten Fortsetzungsfeststellungsklage (im kirchlichen Bereich: Fortsetzungsfeststellungsantrag) übergehen.
Vgl. für den staatlichen Bereich u.a. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 30. Oktober 1969 – VIII C 149.67 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1970, 276 = Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1970, 248 und Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 13. Januar 1976 – VI A 273/74 – Das Recht im Amt (RiA) 1976, 137, mit jeweils weiteren Nachweisen.
Da sich der Antragsteller für die letztere Möglichkeit entschieden hat, wie der von ihm nach der Erledigung des Abberufungsbeschlusses in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag zeigt, kann sein nunmehriges Fortsetzungsfeststellungsbegehren nur zum Ziele führen, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht im Falle der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes – hier: des Abberufungsbeschlusses – durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger (Antragsteller) ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Betroffenen bei berechtigtem Feststellungsinteresse in den Stand zu setzen, dass er die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes auch dann gerichtlich überprüfen lassen kann, wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt hat.
Vgl. OVG Münster, Urteil vom 13. Januar 1976, wie vor, mit weiteren Nachweisen.
Im vorliegenden Falle liegt das notwendige berechtigte Interesse des Antragstellers nicht für die Feststellung vor, dass der Abberufungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 rechtswidrig war. Dafür hat der Antragsteller trotz eingehender Hinweise nicht in substanziierter Weise Gründe dargetan, aus denen dies gefolgert werden kann. Seine Angabe, dass ihm durch Rechtsberatung Unkosten und damit ein Schaden entstanden seien, reicht nicht aus. Aus ihr kann gerade nicht gefolgert werden, dass er die von der Rechtsprechung geforderte ernsthafte Absicht hat, deshalb einen Schadenersatzprozess durchführen zu wollen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 1967 – IV C 163.65 – DVBl 1968, 220 und vom 15. Dezember 1972 – IV C 18.71 – DVBl 1973, 365, mit weiteren Nachweisen.
Entgegen der Behauptung des Antragstellers liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das Ganze wiederholen könne. Vielmehr sprechen alle Umstände für die Annahme, dass es sich bei der von dem Antragsteller nach seiner Darstellung im Konjunktiv abgegebenen Erklärung nach der gesamten Vorgeschichte und den im Presbyterium der …-Kirchengemeinde in L. bestandenen Spannungen und Auseinandersetzungen wohl nur um eine in diesem Zusammenhang zu verstehende einmalige Äußerung gehandelt hat. Dabei ist die Wiederholungsgefahr mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit schon deshalb nicht zu erwarten, weil der Antragsteller nach seiner Darstellung freiwillig aus L. weggegangen und inzwischen bei einer in einer anderen Stadt gelegenen Gemeinde als Pfarrer eingeführt worden ist.
Schließlich hat der Antragsteller auch keine anderen Gründe für die Anerkennung eines berechtigten Interesses dargetan. Zwar kann ein berechtigtes Interesse auch in einem ideellen Interesse bestehen. So wird ein solches Rehabilitierungsinteresse im staatlichen Bereich anerkannt, wenn von der gegen einen Beamten erlassenen, aber inzwischen erledigten Maßnahme eine diskriminierende Wirkung oder eine Minderung seines Ansehens ausgeht oder ungünstige Nachwirkungen auf seine Laufbahn sich nicht mit Sicherheit ausschließen lassen.
Vgl. OVG Münster, Urteil vom 23. Februar 1978 – VI A 23/76 – (n.v.), mit weiteren Nachweisen.
Unabhängig davon, ob auch diese Grundsätze für das Pfarrerdienstrecht in vollem Umfang übernommen werden können, liegen diese Voraussetzungen, ohne dass es dazu noch weiterer Ausführungen bedarf, hier nicht vor. Wie die Regelung des § 53 Abs. 2 PfDG zeigt, können aus den Tatsachen, mit denen die Notwendigkeit der Abberufung begründet worden ist, Einsprüche gegen den Pfarrer in dem Verfahren bei der Besetzung der neuen Stelle nicht hergeleitet werden.
Die von dem Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 28. März 1978 angeführten Gründe stehen zwar im sachlichen Zusammenhang mit seiner Abberufung. Verfahrensrechtlich betreffen sie in dem hier allein maßgebenden kirchenrechtlichen Bereich einen anderen Streitgegenstand. Während sich Antrags- und Fortsetzungsfeststellungsverfahren allein auf die Anfechtung und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 25. August 1977 beziehen, möchte der Antragsteller mit seinem neuen Begehren zum Einen eine nach seiner Auffassung notwendige Richtigstellung einer Eintragung in seinen Personalakten und zum Anderen die allgemeine Feststellung, dass er freiwillig von L. weggegangen sei. Für beide Anliegen kann der Antragsteller aber jetzt noch nicht die Verwaltungskammer als Kirchengericht anrufen. Für sie gilt, wie sich nicht nur aus § 10 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 KiVwGO, sondern z.B. auch aus § 2 Abs. 1 KiVwGO i.V.m. Art. 156 der Kirchenordnung (KO) ergibt, insoweit der gleiche Grundsatz wie für das staatliche Verwaltungsgericht. Dieser Grundsatz besagt, dass die Verwaltungsgerichte aus dem sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Verhältnis von Verwaltungshandeln und gerichtlicher Kontrolle grundsätzlich nicht dazu berufen sind, sich als Erste mit bestimmten verwaltungsrechtlichen Anliegen zu befassen, bevor die Verwaltung Gelegenheit hatte, das entsprechende Begehren des Betroffenen zu prüfen und darüber zu entscheiden.
Vgl. OVG Münster, Urteile vom 28. Januar 1975 – VI A 1032/72 – und 24. Juni 1975 – VI A 915/73 – (n.v.), mit weiteren Nachweisen.
Nach alledem kann das Begehren des Antragstellers keinen Erfolg haben, sodass ein Antrag abzulehnen ist.