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Kirchengericht:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer)
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:06.10.2009
Aktenzeichen:2 M 26/09
Rechtsgrundlage:§ 33 Abs. 2 MVG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Flugblatt, Flyer, Mitarbeitervertretung, Protestveranstaltung, Schaukasten
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Leitsatz:

Das Aushängen eines gewerkschaftlichen Flugblattes in einem MAV-Schaukasten ist auch dann nicht in jedem Falle als Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit anzusehen, wenn in dem Flyer zu einer Protestveranstaltung gegen die Dienststellenleitung aufgerufen wird.

Tenor:

Der Antrag der Dienststellenleitung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die antragstellende Dienststellenleitung wirft der Mitarbeitervertretung vor, gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen zu haben, weil sie einen Gewerkschaftsaufruf in einem MAV-Schaukasten aushing.
Der Mitarbeitervertretung stehen in der Dienststelle eine Reihe von abschließbaren Schaukästen für Mitteilungen u. ä. zur Verfügung. Die Dienststellenleitung entdeckte am 25.03.2009 in einem der Schaukästen einen Aufruf der Gewerkschaft ver.di zum „xxx Protestmarsch“, der am Freitag den 27.03.2009 um 15.00 Uhr von einer Einrichtung der Dienststelle ausgehen sollte. Der Aufruf enthält außerdem folgende Aussagen:
„Wir sagen zu nein zu:
Den unsozialen Ausgliederungsplänen der xxx-Geschäftsführung und des xxx-
Vorstandes !!!
Wir sagen ja zu :
Einer sozialverträglichen Sanierung des Krankenhauses !!!
Gemeinschaft verwirklichen !!!
Ohne Ausgliederung !!! „
Mit Schreiben vom 26.03.2009 forderte die Dienststellenleitung von der Mitarbeitervertretung die Entfernung des Aufrufs, was von dieser am gleichen Tag abgelehnt wurde. Per Fax vom 26.03.2009 wurde das vorliegende Schlichtungsverfahren mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingeleitet. Dieser ist inzwischen beiderseits wegen Zeitablaufs für erledigt erklärt worden. Außerdem will die Dienststellenleitung im Hauptsachverfahren festgestellt wissen, dass die Mitarbeitervertretung gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoße, wenn sie gewerkschaftliche Aufrufe dieser Art in ihren Schaukästen zum Aushang bringe.
Die Dienststellenleitung betont, dass die Mitarbeitervertretung ihr Amt gewerkschaftsneutral auszuüben habe. Zwar sei einer gewerkschaftliche Betätigung von Mitarbeitenden, die selbst Mitglied einer Gewerkschaft seien, zulässig. Die Mitarbeitervertretung als Organ verstoße jedoch gegen ihre Neutralitätspflicht, indem sie werbend für eine gewerkschaftliche Veranstaltung auftrete. Das Mitarbeitervertretungsrecht der Diakonie beruhe auf dem Gedanken, dass bei unterschiedlichen Vorstellungen auf der Basis des Grundgedankens der Dienstgemeinschaft in gemeinsamer Verantwortung nach Lösungen gesucht werde. Der offensichtliche Schulterschluss mit einer Gewerkschaft, die zu Protestmaßnahmen gegen die Dienststellenleitung aufrufe, sei mit diesen Grundsätzen des Mitarbeitervertretungsrechtes nicht vereinbar. Es sei für die Dienststellenleitung unerträglich, wenn die Mitarbeitervertretung in ihrer Funktion als Organ gewerkschaftliche Aufrufe dieser Art in dem nur für die MAV bestimmten Schaukasten zum Aushang bringe.
Die Dienststellenleitung beantragt,
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 33 MVG.EKD verstößt, wenn sie gewerkschaftliche Aufrufe zu Protestveranstaltungen, insbesondere gegen die Dienststellenleitung und / oder gegen die xxx an ihren „schwarzen Brettern“ bzw. ihren Schaukästen zum Aushang bringt.
Die Mitarbeitervertretung bittet um Zurückweisung.
Sie meint, der Feststellungsantrag sei schon deshalb zurückzuweisen, weil er darauf abziele, jede dienststellenkritische Meinungsäußerung, die in eine Protestveranstaltung münden könne, zu unterbinden.
Aber auch wenn der Schlichtungsantrag auf den konkreten Anlass bezogen sei, sei er zurückzuweisen. Dabei müsse richtig gesehen werden, dass es die Antragstellerin gewesen sei, die erhebliche Unruhe in die Dienstgemeinschaft gebracht habe, indem sie über tiefgreifende Ausgründungsmaßnahmen erst zu einem Zeitpunkt informiert habe, als hierüber bereits durch die Dienststellenleitung entschieden worden sei. Bei dieser Sachlage entspreche es durchaus der Aufgabe und dem Selbstverständnis einer Mitarbeitervertretung, berechtigten Unmut gegen eine Planung, die dem Gedanken der Dienstgemeinschaft widerspreche zu bekunden bzw. derartige Bekundungen zur unterstützen, um hier möglicherweise noch eine Änderung in den Entscheidungsprozessen herbeizuführen.
Der Aushang stelle auch keinen Verstoß gegen das Prinzip der Gewerkschaftsneutralität dar, da durch ihn keine Gewerkschaftswerbung betrieben worden sei. Die Mitarbeitervertretung sah es aber als ihre Pflicht an, über die fragliche Veranstaltung zu informieren, ohne dass hierbei eine aktive Bewerbung stattgefunden habe. Es liege somit keine Vermischung von MAV- und Gewerkschaftstätigkeit vor.
Schließlich weist die Mitarbeitervertretung daraufhin, dass der fragliche Aufruf sich nicht nur in ihren Schaukästen befunden habe. Ohne ihr Zutun seien an vielen Stellen des Dienststellengeländes die jetzt von der Dienststellenleitung beanstandeten Flyer angebracht worden, ohne dass hiergegen eingeschritten worden sei. Dies lasse das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Schlichtungsantrag als fraglich erscheinen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlage Bezug genommen.
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II.

  1. Die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens ergibt sich aus § 60 Abs. 1 MVG.EKD. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Aushängen gewerkschaftlicher dienststellenkritischer Aufrufe durch die Mitarbeitervertretung gegen das Gebot der vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit verstößt (§ 33 Abs. 1 MVG.EKD)
  2. Das Schlichtungsverfahren ist innerhalb der vorgesehen Anrufungsfrist des § 61 Abs. 2 MVG.EKD eingeleitet worden.
  3. Für das Feststellungsbegehren besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne von § 256 ZPO, weil die Dienststellenleitung nach dem an sich erledigten Vorfall vom 25. / 26.03.2009 befürchtet, dass auch in Zukunft ähnliche Gewerkschaftsaufrufe durch die Mitarbeitervertretung ausgehängt werden.
    Der Feststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt. Beanstandet werden jeglichen Aufrufe zu Protestveranstaltungen, die gegen die Dienststellenleitung gerichtet sind und von der MAV an den ihr eigens zur Verfügung gestellten Stellen ausgehängt werden.
  4. Der Feststellungsantrag ist in der Sache unbegründet. Denn zumindest wenn die Antragstellerin die Vorgänge von Ende März 2009 zum Anlass nimmt, um einen Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gerichtlich feststellen zu lassen, kann ihr die Schlichtungsstelle nicht folgen.
    Zwar weist die Dienststellenleitung zutreffend daraufhin, dass für die Mitarbeitervertretung die Verpflichtung zu gewerkschaftlich neutraler Amtführung gilt. Dies schließt sowohl ein Werbeverbot wie auch die Bevorteilung oder Benachteiligung von Mitarbeitenden wegen einer Gewerkschaftszugehörigkeit aus. Unschädlich ist es aber, wenn die Mitarbeitervertretung für ihre Aufgaben und den von ihr gegenüber der Dienststellenleitung vertretenen Standpunkt auf gewerkschaftlichen Beistand oder gewerkschaftliche Materialien zur Erfüllung ihres Auftrags zurückgreift (vgl. Bauchmann-Czichon, Kommentar zum MVG.EKD, § 33 Anmerkung 7). So liegt der Fall hier. Dabei muss richtig gesehen werden, dass es im Zuge der von der Dienststellenleitung geplanten Ausgründungen ein Anliegen der Mitarbeitervertretung war, dem entgegenzutreten bzw. zu für die Mitarbeiterschaft tragbaren Lösungen zu kommen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ihr hierbei die von gewerkschaftlicher Seite initiierte Unterstützung nicht unwillkommen war. Es kann deshalb nicht beanstandet werden, dass die Mitarbeitervertretung mit dem umstrittenen Aushang daraufhin wies, dass ihr ureigenes Anliegen nunmehr auch durch eine gewerkschaftlich initiierte Protestmaßnahme gefördert werden sollte. Den Boden gewerkschaftsneutraler Amtführung hat sie damit noch nicht verlassen, so dass auch kein Grund besteht, in der von der Dienststellenleitung beanstandeten Maßnahme einen Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu sehen.